Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
einzigen Stuhl anbieten«, sagte Anne mit einer hilflosen Geste des Bedauerns.
    Anstelle einer Antwort lächelte Louise höflich und baute sich vor dem hölzernen Bettgestell auf, von dem man die Vorhänge bereits abgenommen hatte.
    »Der letzte Italienfeldzug war einer der kürzesten überhaupt«, erklärte sie. »Mir scheint, die Sforza haben sehr schnell kapituliert.«
    »Das beweist nur, wie außerordentlich schwach sie sind«, bestätigte die Königin abwartend.
    »Nicht unbedingt«, gab Louise mit einem schiefen Lächeln
zurück. »In einer Allianz mit Venetien und den Borgia sind die Sforza sehr mächtig.«
    »Ihr vergesst die kaiserlichen Truppen und die Schweizer Freiwilligen, meine Liebe!«
    »Die Schweizer Freiwilligen sind nichts als Söldner, die dem dienen, der am meisten zahlt.«
    Die beiden Frauen boten sich die Stirn. Jede beobachtete die andere misstrauisch und legte sich bereits die nächste kluge und eloquente Bemerkung zurecht.
    Das Gesicht der Königin war perfekt, und ihre weiße Haut betonte den dunklen Glanz ihrer schönen schmalen Augen. Es entging ihr nicht, dass Louise unauffällig ihr Kleid begutachtete.
    Die Königin legte allergrößten Wert auf ihre Toilette; das war bekannt. Nie sah man sie zweimal in der gleichen Aufmachung, und ihre zahlreichen Kammerzofen waren ständig darum bemüht, Neuigkeiten ausfindig zu machen, die sie ihr dann präsentierten.
    An diesem Morgen nun, als sie vor lauter Aufregung schon ganz aufgelöst war, spürte sie mit einem Mal, dass sich Louise entschieden dem Schicksal Frankreichs verbunden fühlte. Eigentlich hatte ihr Louis noch nie wirklich etwas von seiner Cousine erzählt; und wahrscheinlich kam es ihm nur gelegen, sie darüber im Unklaren zu wissen.
    Annes Gefolge bestand aus sorgsamst ausgewählten Edeldamen des Herzogtums Bretagne. Aber ihre Gesellschafterinnen, die alle jung und wohlgestalt waren, konnten Annes Stimmung schon seit Tagen nicht mehr aufheitern. Dabei hatten sie sich nichts vorzuwerfen. Jede Einzelne von ihnen war sehr sorgfältig und anmutig gekleidet. Die Königin ließ ihnen keine Benimmfehler durchgehen und duldete weder Nachlässigkeit noch Zügellosigkeit, die dem untadeligen Ansehen ihres Hofstaats geschadet hätten.

    Damit schien die Königin jedoch den Sitten der damaligen Zeit zuwiderzulaufen, die sich als recht freizügig erwiesen. Sonderbarerweise hatte Louise de Savoie, die in die strenge Schule von Anne de Beaujeu gegangen war, auch eher liberale Ansichten.
    Obwohl die Königin, was ihre Prinzipien anbelangte, ebenfalls sehr streng war, gab sie doch beträchtliche Summen für den extremen Luxus ihrer Garderobe aus, wohl wissend, dass sie, um dem König zu gefallen, nicht nur jung bleiben musste, sondern ebenso verführerisch und begehrenswert. Oder sollte sie Frankreich etwa nicht einen Dauphin schenken?
    Dieser Gedanke beruhigte sie nun endgültig, und ihre vollen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
    »Wer zur Zeit am meisten zahlt, ist ja wohl der König von Frankreich, wie mir scheint!«, erwiderte sie.
    »Deshalb untersteht Neapel seiner Macht. Doch Neapel ist nur ein kleines Gebiet in dem großen italienischen Königreich. Und Ihr könnt mir ruhig glauben, dass Sforza uns belauert.«
    »Sollte er das wagen, ist der Papst unser Verbündeter.«
    Die Gräfin musterte die Königin kühl.
    »Eure Hoheit«, entgegnete Louise und spürte, welch überaus große Freude diese Anrede der Königin machte, weil sie sich ihr dadurch zweifellos unterordnete, »ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass Frankreich es dabei bewenden lassen sollte.«
    Anne hätte ihr am liebsten eine Abfuhr erteilt, begnügte sich aber damit, die Lippen zusammenzupressen.
    »Frankreich wird tun, was es für richtig hält«, gab sie zornig zurück.
    »Gewiss doch, Frankreich hat Neapel erobert und wird sich Mailand holen. Aber eines Tages werden wir weder die Unterstützung von Venedig noch die von Rom haben.«
    Als Louis XII. ihr mitgeteilt hatte, er wolle sie nach Chinon
kommen lassen, an die Seite seiner neuen Gattin, hatte sich Louise geschworen, dass sie sich niemals von Anne de Bretagne demütigen lassen würde. Um diese Möglichkeit von vornherein auszuschließen, machte man sich am besten unabhängig.
    Ohne Umschweife hatte sie dem König erklärt, sie sei nur bereit, Cognac zu verlassen, wenn sie nie in die Verlegenheit käme, der Königin Gehorsam zu leisten. »Ich habe nur einen Herrn, und das ist mein König.« Louis XII.

Weitere Kostenlose Bücher