Die Seidenstickerin
Augen.
Am Ende dieser allerletzten leidenschaftlichen Nacht, die viel zu schnell vergangen war, hatte sie Jean de Saint-Gelais nach einem langen Abschiedkuss endgültig verlassen.
Natürlich wollte Louise jeden einzelnen Augenblick, an dem sie zusammen waren, auskosten und hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Deshalb war sie erst kurz nach Jeans Aufbruch eingenickt.
Die junge Magd, die am Abend zuvor die Scherben von dem Weinkrug aufgesammelt hatte, stand in der Tür.
»Was soll ich der jungen Frau sagen?«, fragte sie die Gräfin.
»Sagt meinem Dienstmädchen Catherine, dass ich aufgestanden bin und sie mich ankleiden und frisieren kommen soll. Die junge Frau schickt ebenfalls zu mir herauf.«
Ein paar Minuten später stand Alix vor ihr.
»Kommt her, und lasst Euch umarmen, mein liebes Kind«, sagte Louise und drückte sie lange und herzlich an sich.
»Ihr seht großartig aus, Alix! Die Liebe scheint Euch gut zu bekommen.«
»Die Arbeit auch, Dame Louise.«
»Dame Louise! Nein, Alix, ich will keine Förmlichkeiten zwischen uns, keine Etikette und keine überflüssigen Floskeln. Ich habe viel zu viel Achtung vor Eurem schönen Beruf, als dass ich mich Euch überlegen fühlte.«
Alix lächelte sie an und nahm ihre Hand.
»Ich befürchte jedoch, dass ich Euch im Augenblick leider nicht die angemessene Aufmerksamkeit schenken kann«, fuhr sie fort.
»Was habt Ihr denn, Louise? Ist es etwas Ernstes?«
Da sah Alix eine Träne in den traurigen Augen ihrer Freundin und drückte ihre Hand noch fester.
»Ist es etwas Ernstes?«, fragte sie noch einmal.
Louise nickte langsam. Ihr schönes blondes Haar war noch nicht frisiert und fiel ihr in üppigen Locken auf den Rücken.
»Ja, ich habe heute Morgen den Beschluss gefasst, mich ganz meinem Sohn und meiner Tochter zu widmen. Aber eigentlich vor allem François, weil der meine Unterstützung dringend benötigt.«
»Aber wieso gerade heute Morgen?«
»Weil mich mein Geliebter soeben verlassen hat und wir übereingekommen sind, uns nie wiederzusehen.«
»Oje!«
Alix küsste Louise zärtlich die Hand.
»Ach, das ist aber traurig!«
»So ist das nun einmal mit der Liebe, Alix. Als ich in Jeans Armen glücklich war, seid Ihr verzweifelt, allein und voller Angst auf der Suche nach Eurem Mann gewesen und wusstet nicht, ob Ihr ihn je wiederfinden würdet. Während er nun bei Euch ist und Euch liebkost und umarmt, bin ich einsam und verlassen.«
Sie warf ihre Haare zurück und deutete auf einen Sessel.
»Setzt Euch, bitte, Alix, und reden wir nicht länger von meinem Liebeskummer.«
»Ach, Louise, ich bin ganz sicher, dass Ihr Monsieur de Saint-Gelais eines Tages wiederseht!«
»Nein, Alix, Ihr habt mich wohl nicht richtig verstanden«, sagte Louise und lächelte bitter. »Oder Ihr tut zumindest so, um mich zu schonen. Zwischen mir und Jean ist nichts mehr. Um dem Ansehen von François nicht zu schaden, darf ich mir keinen Fauxpas erlauben.«
Alix schüttelte traurig den Kopf, sagte aber nichts mehr.
»Macht Euch keine Sorgen«, sagte Louise etwas fröhlicher, »zum Trost habe ich ja meine beiden Kinder, die ich mehr als alles andere auf der Welt liebe. Sie sind mein Ein und Alles. Ich will für sie da sein, damit sie ein glückliches und unbeschwertes Leben führen können, bis sie ihre schwere Pflicht antreten, ich will sie auf das Leben am königlichen Hofe vorbereiten, wo man ihnen jeden noch so kleinen Fehler vorwerfen wird, und sie vor den Zwängen zu schützen versuchen, denen sie dort unbarmherzig ausgesetzt sein werden.
Alix hatte es sich in dem scharlachroten Sessel bequem gemacht und gab sich alle Mühe, fröhlich zu sein und Louise ein wenig aufzumuntern.
Da klopfte es an der Tür.
»Das ist Catherine, mein Dienstmädchen. Sie kommt, um mich für die Abreise vorzubereiten.«
Sie sprang auf und ging zur Tür.
»In wenigen Tagen werden wir in Chinon vom König und seiner Frau empfangen«, sagte sie und drehte sich zu Alix um. »Wollt Ihr uns nicht begleiten? Ihr könnt ja etwas später nach Tours zurückfahren.«
Der Vorschlag schien Alix so verlockend, dass sie am liebsten zugestimmt hätte, doch dann schüttelte sie den Kopf.
»Ich würde Euch sehr gern begleiten«, sagte sie und seufzte, »und einige Zeit mit Euch am Hof verbringen. Dort fände ich vielleicht auch die Inspiration, die mir manchmal fehlt, wenn ich Motive darstellen will, die ich noch nie aus der Nähe gesehen habe.«
»Seid Ihr sicher, dass Ihr nicht mitkommen
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