Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
kurz bevor er sich das Leben nahm, und den wir gelesen haben, um ihn gleich darauf pflichtgemäß den zuständigen Stellen beim Gericht der Provinzhauptstadt auszuhändigen, sind wir in der Lage, unseren Lesern die Wahrheit über die Ereignisse zu enthüllen.
Auf wenigen Zeilen gesteht Don Cusa, dass er eines seiner jungen, unschuldigen Pfarrkinder, Rosalia P., über längere Zeit missbraucht hat, indem er sie unnatürlichen Praktiken wie der Masturbation und der Fellatio unterwarf, die er als magisch-religiöse Rituale zum Schutz der jungen Frau vor fleischlicher Versuchung ausgab. Über die schmutzigen Einzelheiten werden wir uns hier nicht verbreiten. An dem Tag, als in Palizzolo das Gerücht von einer Choleraepidemie umging, suchte die junge Frau mit zwei Freundinnen Zuflucht auf dem Land. Doch in der Nacht hatten die drei Frauen das Unglück, dem Briganten Salamone in die Hände zu fallen, der sie die ganze Nacht lang gefangen hielt und sich besonders brutal und hartnäckig an Rosalia verging, bis er am darauffolgenden Vormittag von einem couragierten Mitglied der Königlichen Carabinieri, Tenente Rodolfo Villasevaglios, überwältigt und verhaftet wurde. Nachdem die junge Frau noch am selben Tag in das Haus zurückgekehrt war, wo sie als Dienstmädchen arbeitete (jedoch wie eine Tochter behandelt wurde), bat sie am Abend um Erlaubnis, in die Kirche San Cono gehen zu dürfen, die soeben zur Vesper geläutet hatte, um mit Don Filiberto zu sprechen. Als der Priester die Beichte der Untaten hörte, die der Brigant an der jungen Frau begangen hatte, wurde er von Sinnenlust geblendet und überredete sie, ihm in die Sakristei und von dort in seine darüber gelegene Wohnung zu folgen, wo er sie einer Reihe von «Bußwerken» unterwarf, die den Greueltaten des Briganten Salamone an Grausamkeit und Brutalität um nichts nachstanden. Nach anderthalb Stunden kam Rosalia verwirrt und erschüttert aus der kleinen Tür zur Sakristei, wo ein Bekannter sie sah, ihr zu Hilfe eilte und sie zum Haus ihrer Herrschaft begleitete. Von diesem Moment an weigerte sie sich zu sprechen, zu essen und zu trinken.
Dottor Palumbo, eilends herbeigerufen, verarztete sie notdürftig, hielt es jedoch für angeraten, sie in das Krankenhaus von Camporeale einzuweisen.
Nachdem der dortige Arzt die an der jungen Frau verübten entsetzlichen Gewalttaten und ihren verwirrten Geisteszustand festgestellt hatte, erstattete er Anzeige bei den Königlichen Carabinieri, wie es seine Pflicht war. Mit den Ermittlungen wurde Capitano Eugenio Montagnet betraut. Als er Don Filiberto zu Rosalias Besuch befragte, bemerkte er, dass dessen Erklärung, er habe Rosalia gleich nach der Beichte aus der Kirche gehen sehen, nicht mit der Uhrzeit übereinstimmte, die ihre Padrona für die Rückkehr der jungen Frau angegeben hatte (gegen halb neun). Die Zeugenaussage des Helfers hingegen ließ vermuten, dass Rosalia sich bis zu dieser Uhrzeit in der Kirche aufgehalten hatte, also etwa anderthalb Stunden lang. So war der Stand der Dinge, als die unglückliche Rosalia unerwartet aus dem Leben schied, indem sie sich aus einem Fenster im vierten Stock des Krankenhauses stürzte. Am Abend zuvor hatte sie jedoch wieder zu sprechen begonnen und in Gegenwart eines Pflegers zu dem behandelnden Arzt diesen schrecklichen Satz gesagt: «Die Buße ist wie die Sünde.»
Seine grauenvolle Bedeutung wird sich unseren Lesern sicherlich erschließen.
Capitano Montagnet griff daraufhin zu einer List, die dem Pfarrer keine Ausflucht mehr ließ. Der Priester sah sich verloren, wurde von Reue ergriffen und zog es vor, sich das Leben zu nehmen.
Um die Freigabe des Leichnams von Don Filiberto bat sein Bruder Orazio aus Quattrocastagni.
So weit die Fakten, die diesen tragischen Selbstmord betreffen.
Doch wir haben außerdem Kenntnis von einem nicht minder beunruhigenden Ereignis erlangt. Kurz nachdem sich die Nachricht von der tragischen Tat verbreitet hatte, erschienen die anderen Pfarrer der Kirchen von Palizzolo (und zwar Don Alessio Terranova, Don Eriberto Raccuglia, Don Alighiero Scurria, Don Libertino Samonà, Don Angelo Marrafà und Don Ernesto Pintacuda), von denen nur einer fehlte, nämlich der Pfarrer der Kirche zum Gekreuzigten Heiland Don Mariano Dalli Cardillo, vor dem Gefreiten der Königlichen Carabinieri, welcher an der Tür zur Sakristei Wache stand, und verlangten Zutritt zur Wohnung von Don Filiberto, mit der Begründung, sie wollten den Leichnam segnen. Als der Gefreite
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