Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
Handlungsweise zeugt einmal mehr von der großen Weisheit Seiner Exzellenz des Bischofs, wie er sie schon bei anderen, weitaus weniger schwerwiegenden Anlässen bewies.
Was der Bischof zu unterlassen für richtig befand, tat stattdessen der aus Camporeale berichtende Korrespondent der wichtigsten Tageszeitung Siziliens, der das Werk der Pfarrer steif und fest verteidigte, indem er behauptete, es sei ihr gutes Recht gewesen, die Papiere der Pfarrei mitzunehmen, um Unterbrechungen oder Verzögerungen in der Verwaltungstätigkeit der Pfarrei zu vermeiden.
Wenn es sich aber so verhält, warum musste der wachhabende Gefreite dann hinters Licht geführt werden? Vielleicht hätte es genügt, ebendiese Absicht zu erklären, um den Gefreiten zu überzeugen, der die Pfarrer sicher gerne in die Wohnung des armen Don Filiberto begleitet hätte, um über die Kirchenbücher, die eventuell mitgenommen werden mussten, eine ordnungsgemäße Quittung zu verlangen und zu erhalten.
Die Pfarrer hätten sich auch an das Gericht wenden können (wie der Sekretär des Bischofs, Don Marcantonio Panza), um die erforderliche Genehmigung zu bekommen.
Aber das haben sie nicht getan, lieber Journalistenkollege. Sie wollten nämlich keine neugierigen Blicke, als sie die Wohnung durchwühlten.
Auch wenn sie jetzt geflissentlich beteuern, sie hätten Capitano Montagnet alles zurückerstattet, was sie, unter ihren Priestergewändern versteckt, fortgeschafft hatten, wer garantiert uns, dass wirklich alles zurückgegeben wurde? Und wenn nicht alles zurückgegeben wurde, was haben die Pfarrer behalten wollen?
Wir haben eine kleine journalistische Recherche unternommen, die zu einem interessanten Ergebnis geführt hat. Vom Gericht haben wir die Genehmigung für den Zutritt zur Wohnung des Pfarrers erhalten. Dort wurde nichts angerührt, die Räume befinden sich noch immer in der unbeschreiblichen Unordnung, in der die sechs Pfarrer sie verlassen haben. In einer Ecke des Esszimmers fiel uns eine Staffelei auf, daneben ein umgestürztes Tischchen, auf dem Farben und Pinsel abgelegt wurde, die nun auf dem Boden verstreut lagen. Don Filiberto war nämlich als dilettierender Maler bekannt, und an den Wänden seiner Wohnung hängen einige seiner Gemälde mit sakralen Themen. Da ist uns ein Verdacht gekommen, der sich bei einem Gespräch mit dem Küster Virgilio Bellofiore bestätigte. Bellofiore erzählte uns, dass Don Filiberto Notizhefte mit sich zu führen pflegte, in die er mit Bleistift zeichnete, was ihn im Laufe des Tages besonders beeindruckt hatte. Diese Zeichnungen bewahrte er gewöhnlich in den Schubladen seines Schreibtisches auf. Auch Signora Amelia Putifarro, die Zugehfrau des Pfarrers, berichtete uns davon.
Stellen wir eine Vermutung an: Könnte es nicht sein, dass die sechs Pfarrer statt beschriebener Papiere kompromittierende Zeichnungen gesucht haben? Vielleicht waren die in der Schublade aufbewahrten Zeichnungen nicht von dieser Art, doch Don Filiberto hätte andere, anstößigere Zeichnungen an geschützteren Orten in seiner Wohnung versteckt haben können. Daher musste alles so gründlich durchsucht werden.
Von dieser Vermutung haben wir, wie es unsere Pflicht ist, Capitano Montagnet informiert, der bis jetzt allerdings noch keine Veranlassung sah, die Verhaftung der sechs Pfarrer vorzunehmen.
Und so müssen wir traurig schließen, dass unsere Vermutung höchstwahrscheinlich eine solche bleiben wird, denn mittlerweile dürfte sich von diesen Zeichnungen keine Spur mehr finden lassen.
«Ich komm zum ersten Mal bei Euch beichten, Padre Dalli Cardillo. Früher bin ich immer in die Kirche zum Heiligen Herzen Jesu gegangen, zu Padre Alighiero Scurria. Aber jetzt will ich zu dem nicht mehr hingehen. Ich brauch nicht nur die Absolution, sondern auch einen Rat, Don Mariano. Seit ein paar Nächten kann ich nicht mehr schlafen. Seit ich in der Zeitung gelesen hab, dass Rosalia Pampina sich umgebracht hat wegen dem, was ihr Don Filiberto angetan hat. Ich hab Rosalia kennengelernt, vor zwei Monaten war das, als die Pfarrer uns für einen Tag mit geistlichen Übungen in das leere Kloster der Benediktinerinnen gebracht haben. Ich war da, Rosalia, Antonietta, die Tochter vom Barone Lo Mascolo, Totina, die Tochter vom Feldhüter von Don Anselmo Buttafava, die Tochter von Marchese Cammarata, die Paolina heißt, dann Lorenza Spagna, die kleinste von allen, denn sie war erst fünfzehneinhalb, außerdem Filippa Lanza, die Tochter vom Bankdirektor.
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