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Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Die Sekte der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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noch genauso aus, wie sie sie zurückgelassen hatten.
    «Wollen Sie mir bitte folgen?», bat der Sekretär.
    Der Gefreite ging hinter ihm her die hölzerne Treppe hinauf und trat an seiner Seite in das Zimmer, wo der Pfarrer sich aufgehängt hatte.
    Verblüfft blieb er auf der Stelle stehen. Es sah aus, als hätte ein Wirbelsturm in dem Raum gewütet. Kommoden, Schränke, Anrichten, alles war aufgerissen, und was auch immer diese Möbel enthalten hatten, lag nun auf dem Boden verstreut.
    «Gehen Sie in das andere Zimmer und ins Schlafzimmer.»
    Im zweiten Zimmer war ein Schreibtisch umgekippt worden, dessen Beine in die Luft ragten, alle Schubladen waren geöffnet, aber völlig leer. Sämtliche Kirchenbücher, Verzeichnisse und Dokumente waren verschwunden. Nirgendwo war auch nur ein Stück Papier zu sehen.
    Im Schlafzimmer waren sogar die Matratzen aufgeschlitzt worden.
    «Was hattet Ihr für einen Grund, das hier anzurichten?», fragte Don Marcantonio.
    «Wir!? Wir?», schrie Gefreite zornbebend.
    «Wer dann?»
    «Die anderen Pfarrer, die ich Idiot hineingelassen habe!»
    Sie kehrten ins erste Zimmer zurück.
    «Sind Sie sich dessen sicher, was Sie da sagen?»
    «Was?»
    «Dass es die anderen Pfarrer gewesen sind, die die Papiere mitgenommen haben.»
    «Jawohl, mein Herr. Und jetzt gehe ich sofort dem Maresciallo Rapport erstatten.»
    Don Marcantonio hob die Augen und entdeckte den durchgeschnittenen Strick, der noch am Balken hing.
    «Wohin habt ihr ihn gebracht?»
    «Auf die Polizeistation der Carabinieri.»
    «Das war richtig. Der Leichnam darf nicht in die Kirche hinein, er wird also auch keine Totenmesse bekommen und kann nicht in geweihter Erde begraben werden.»
    Der Gefreite machte ein so erstauntes Gesicht, dass Don Marcantonio es bemerkte. Er zuckte mit den Schultern.
    «Sie bedauern das? Es gibt aber Regeln, die befolgt werden müssen. Wer Selbstmord begeht, handelt gegen Gottes Willen.»
    «Und Conte Mortillaro?»
    Das war ihm so herausgerutscht, er biss sich auf die Lippen. Vor zwei Jahren hatte der Conte Mortillaro sich in den Kopf geschossen. Man hatte ihm ein feierliches Begräbnis bereitet und ihn in der Familiengruft bestattet.
    «Das war ein ganz anderer Fall», beschied ihm Don Marcantonio schroff.
    Es kommt noch so weit, dachte der Gefreite Magnacavallo, dass wir den Toten wirklich auf die Station bringen und in einem Schrank aufbewahren müssen.
    Während Teresi zu Hause saß und über den Artikel nachdachte, den er in der Nacht schreiben musste, kam ein Carabiniere, um ihm zu sagen, dass der Capitano ihn dringend zu sprechen wünschte.
    «Wie weit sind Sie an diesem ganzen Durcheinander beteiligt?», war die erste Frage von Montagnet.
    «Nun, Capitano, Sie hatten mir vorgeschlagen, einen Artikel zu schreiben, in dem ich Anspielungen mache, doch ich hatte das Glück, auf einen Zeugen zu stoßen, einen Mann, der Rosalia nach acht Uhr aus der Kirche kommen sah, und da habe ich …»
    Er erzählte ihm alles, auch von der vorgespielten Erpressung. Je länger er sprach, desto finsterer wurde das Gesicht des Capitano.
    «Ich müsste Sie verhaften wegen Störung der öffentlichen Ordnung. Und dieses Mal würde ich mich nicht irren, wie bei Dottor Bellanca. Aber ich glaube, Sie haben recht.»
    «Worin?»
    «Gleich nachdem sich die Nachricht von dem Selbstmord verbreitet hatte, sind sechs Pfarrer in die Wohnung von Don Filiberto gestürzt, haben dort das Unterste zuoberst gekehrt und sämtliche Papiere mitgenommen, die sich in der Wohnung befanden. Wer weiß, wonach sie suchten.»
    «Das hier suchten sie», sagte Teresi, zog den Brief von Don Cusa heraus und legte ihn auf den Schreibtisch.

ZWÖLFTES KAPITEL
    Vier Artikel, zwei Monologe
und ein Dialog
    Zwei Tage nach dem Tod des Pfarrers von San Cono ließ Matteo Teresi in der von ihm geleiteten Zeitung einen Artikel drucken, dessen Inhalt er zuvor mit Capitano Montagnet abgesprochen hatte. Der Artikel trug die Überschrift: Die Buße ist wie die Sünde , und darunter: Die Wahrheit über den Selbstmord von Don Cusa .
    Er lautete folgendermaßen:
    Über die Gründe, die den neununddreißigjährigen Don Filiberto Cusa, Pfarrer der hiesigen Kirche San Cono, zu seiner tragischen Tat bewogen haben, die großes Aufsehen erregte, gibt es in der Bevölkerung von Palizzolo (sowie in den Nachbarorten und sogar in der Provinzhauptstadt Camporeale) viele unterschiedliche und widerstreitende Vermutungen.
    Dank eines Briefes, den Don Cusa von eigener Hand verfasste,

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