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Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Die Sekte der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Nacht war ruhig, er atmete langsam und entspannt. Von den Feldern kam der Geruch des Strohs, das den ganzen Tag lang unter der Sonne geglüht hatte.
    Gegen ein Uhr nachts war er des Stehens müde. Und außerdem – seit wann aß er nicht mehr? Er ging ins Zimmer, nahm einen Stuhl, trug ihn auf den Balkon und setzte sich. Er dachte nicht an den Brief des Präfekten und auch nicht an den von der Strafkammer.
    Nur Stefanos Worte gingen ihm im Kopf herum.
    «Vossia vergisst, dass ich Antonietta wirklich liebhabe.»
    Und der andere Satz:
    «Ich habe dem Baron gesagt, dass ich das Angebot nicht annehmen kann. Aus Respekt vor Euch, Onkel.»
    Das war es, er musste dafür sorgen, dass Stefano den Respekt vor ihm verlor. Wenn er aus dem Leben des Jungen verschwand, ohne eine einzige Zeile der Erklärung zu hinterlassen, würde sich Stefano vielleicht von seinem Onkel verraten fühlen. Und dann wäre er frei, über sein Schicksal zu entscheiden. Ja, das war die einzige Möglichkeit.
    Langsam gewann diese Idee Gestalt und wurde klarer. Als es im Osten tagte, war aus der Idee ein fester Entschluss geworden.
    Er blickte auf die Uhr. Fünf Uhr morgens.
    Wenn er jetzt sofort die Koffer packte, sich wusch, rasierte und einen guten Anzug anzog, würde er es noch schaffen, die Kutsche nach Palermo zu erwischen und vorher bei der Bank vorbeizugehen, um all sein Geld abzuheben. Mehr als genug, um eine Fahrkarte nach Amerika zu bezahlen, auf dem ersten Schiff, das ablegte.

Anmerkung
    Die Ereignisse, die sich zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts in dem sizilianischen Städtchen Alia tatsächlich zutrugen, werden in diesem Roman bewusst so verzerrt dargestellt, dass sie nicht wiederzuerkennen sind und die Grenze zur puren Phantasie überschreiten. Ein Priester, Rosolino Martino, wird wegen Verführung minderjähriger Mädchen der Justiz überstellt. Matteo Teresi, ein ehemaliger Apotheker des Ortes, der dann Anwalt wurde und in seiner Zeitung «Der Kampf» die Übergriffe der Mafiosi, der Grundbesitzer und des Klerus bekämpft, beginnt mit Nachforschungen zu diesem Fall und macht die erstaunliche Entdeckung, dass die Priester von Alia eine geheime Sekte gegründet haben, in der «unerfahrenen, jungfräulichen Mädchen und verlobten jungen Frauen eingeredet wird, der Geschlechtsverkehr oder sexuelle Praktiken zur Vorbereitung des Geschlechtsaktes seien ein Mittel, um göttliche Vergebung zu erlangen und ihnen die Pforten des Paradieses zu öffnen», wie der ehemalige Bürgermeister von Alia, Gaetano D’Andrea, erklärt.
    Die Nachricht von der Entdeckung der Sekte und ihrer Statuten, die von Teresi bekanntgemacht werden, explodiert wie eine Bombe, verbreitet sich jenseits der Meerenge von Messina und ruft Empörung bei vielen Politikern und Kirchenmännern hervor, darunter Turati und Sturzo. Der verhaftete Priester Rosolino Martino bestätigt, was Teresi in seiner Zeitung schrieb.
    Doch der Klerus, die Grundbesitzer und die Mafia rücken zu einer geschlossenen Front zusammen. Sie greifen Teresi an und zwingen die Einwohner, darunter auch die Familienangehörigen der jungen Frauen, die Opfer des Missbrauchs wurden, vollständiges Schweigen über die Angelegenheit zu bewahren.
    Empört über das Ausbleiben einer Reaktion, provoziert Teresi seine Mitbürger: «Die Männer haben sich inzwischen offenbar mit der religiösen Prostitution ihrer Frauen abgefunden, denn nach allem, was geschehen ist, kann keiner mehr sagen, er wisse von nichts. (…) Verhindern wir die Gefahr des Totschweigens, öffnen wir den verlobten jungen Männern und den Vätern die Augen, denn sobald wir die Dinge frank und frei ausgesprochen haben, werden sie wieder ihre richtigen Namen erhalten. Hinter der göttlichen Gnade werden sich keine sexuellen Beziehungen mehr verbergen; die mystische Braut wird wie eine gemeine Prostituierte aussehen; der Ehemann wird inmitten von Heiligenscheinen prächtig sich windende Hörner hervorsprießen sehen, die wahrhaftig nicht die des Teufels sind; das auf den Weg der Vervollkommnung geführte Mädchen wird, nachdem die Maske der kleinen Heiligen abgelegt ist, zwar nicht die Mutter eines engelhaften Geschöpfs sein, sich aber als die halbe Jungfrau der Franzosen zu erkennen geben, die alles verloren und alles gewährt hat, außer jener vermeintlichen Ehre, die aus dem simplen physischen Kennzeichen der Jungfräulichkeit besteht.» Der am 11. August 1901 in «Der Kampf» erschienene Artikel bewirkte das Gegenteil: Eine Welle glühenden

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