Die Sekte der Engel: Roman (German Edition)
den Zutritt verweigerte, begannen sie so lautstark zu protestieren, dass dieser sie, um weitere Spannungen zu vermeiden, eintreten ließ. Die sechs Priester hielten sich eine gute Weile unbeobachtet in der Wohnung auf und gingen dann fort. Bald darauf stellte sich Don Marcantonio Panza, Sekretär Seiner Exzellenz Hochwürden Bischof Egilberto Martire, mit einer ordnungsgemäßen Vollmacht des Gerichts von Camporeale demselben Gefreiten vor. Doch kaum war Don Panza in die Wohnung hinaufgegangen, rief er nach dem Gefreiten und zeigte ihm, dass in den Wohnräumen bei einer hektischen Suchaktion ein heilloses Durcheinander entstanden war und dass sämtliche Dokumente, sogar private Briefe, Quittungen usw. offensichtlich von den Priestern fortgeschafft worden waren.
Capitano Montagnet führte eine Unterredung mit dem Sekretär Seiner Exzellenz des Bischofs, in deren Verlauf er ihn davon in Kenntnis setzte, dass er vorbehaltlich der Genehmigung durch das Gericht von Camporeale gegen die sechs Priester Anzeige erstatten werde wegen Diebstahls von beschlagnahmtem Beweismaterial aus einem polizeilich gesicherten Tatort.
Über die weiteren Entwicklungen werden wir unsere Leser selbstverständlich auf dem Laufenden halten.
Es bleiben folgende Fragen: Was suchten die ehrwürdigen Pfarrer in der Wohnung ihres Amtsbruders? Fürchteten sie womöglich, dass Don Filiberto dort kompromittierendes Material liegengelassen hatte? Und wenn das so ist, für wen war es kompromittierend?
«Was seid ihr allesamt doch für Prachtexemplare, ihr sechs! Jung, stark, gesund, überschwenglich, voll Feuereifer, voller Ideen, tatendurstig … Wahre Soldaten der Kirche! Bravo! Tüchtig! Das Problem ist aber, dass ihr nicht das kleinste bisschen Grütze im Kopf habt! Ich habe euch rufen lassen, um euch kurz etwas mitzuteilen. Und dazu gleich eine Vorbemerkung. Ich heiße zwar Martire, aber ich habe nicht die geringste Absicht, wegen euch zum Märtyrer zu werden, kapiert? Also, ich muss euch sagen, dass mich heute Morgen der Gerichtspräsident angerufen hat, der ehrwürdige Commendator Onorio Labarbera, und das ist so ein richtiger Hosenscheißer vor dem Herrn. Sagt er zu mir: Sie müssen meine Lage verstehen, Eccellenza, ich kann mich dem Antrag von Capitano Montagnet nicht verweigern … Ich bin gezwungen, ihm die Genehmigung zu erteilen und so weiter, blablabla. Als er fertig war, habe ich gesagt: Wer hat dich denn um irgendwas gebeten? Das Gesetz muss seinen Lauf nehmen, sagt er. Und ich sag: Ja, dann lassen wir ihm doch seinen Lauf, dem Gesetz! Haben wir uns verstanden, Leute? Wenn ihr verhaftet werden müsst, dann werdet ihr eben verhaftet. Ich rühre keinen Finger für euch. Ich will keine Scherereien. Wer sich in die Scheiße reitet, soll selbst sehen, wie er wieder rauskommt. Was musstet ihr denn auch alle auf einmal in die Wohnung dieses Unglücksmenschen marschieren? Einer von euch hätte hingehen können, suchen, was er zu suchen hatte, mitnehmen, was er mitnehmen musste, und alles schön so lassen, wie es war. In bester Ordnung. Aber nein, ihr seid ja jung und strohdumm, also musstet ihr euch in diese Bredouille bringen. Sogar die Kirchenbücher habt ihr mitgenommen! Was habt ihr da eigentlich gesucht? Nein, ich will es nicht wissen! Ich will’s gar nicht wissen! Kein Wort! Das ist euer Problem, ihr hirnlosen Hohlköpfe. Vorerst werdet ihr ab morgen durch andere Priester aus der Diözese ersetzt, und zwar mindestens so lange, bis Gras über diese Geschichte gewachsen ist. Nur Don Dalli Cardillo kann an seinem Platz bleiben. Nein! Maul halten! Keiner sagt ein Wort! Wer was sagt, kriegt von mir einen Tritt in den Allerwertesten! Alles raus! Marsch!»
Zwei Tage nach dem ersten Artikel schrieb Teresi einen zweiten, den er als Sonderausgabe seiner nur aus einem Blatt bestehenden Zeitung drucken ließ.
Der Artikel trug die Überschrift: Wir haben eine Vermutung .
Und er lautete folgendermaßen:
Wie wir aus sicherer Quelle erfuhren, hat Seine Exzellenz Hochwürden Egilberto Martire, Bischof von Camporeale, zu dem Antrag, gegen die sechs Pfarrer von Palizzolo wegen Diebstahls und Unterschlagung von polizeilich gesichertem Beweismaterial (ein strafbares Delikt) gerichtlich vorzugehen, erklärt, er werde der Justiz keinerlei Hindernisse in den Weg legen, falls diese dem Antrag stattgibt. Darüber hinaus hat er die sechs Pfarrer vorläufig in den Ruhestand versetzt und sie durch andere Geistliche seiner Diözese ersetzen lassen. Diese
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