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Die Sekte Satans

Die Sekte Satans

Titel: Die Sekte Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Tränen
rannen in seinen Rauschebart. Er mochte das Leben, sogar das eines
Stadtstreichers. Früher, als er noch Chefkassierer bei der Züricher Bank war,
hatte er nichts gewusst von diesem einfachen Dasein. Es bedeutete
bedingungslosen Einklang mit der Natur. Mit der Hitze des Sommers, mit
klirrender Kälte, mit Nachtfrost, Stürmen und dem Regen, der in Mitteleuropa
sehr reichlich fällt.
    Sechs Millionen Franken, dachte
er, besitze ich. Und ich dachte damals, es wäre mein Glück. Was für ein Irrtum!
Fast nichts habe ich davon ausgegeben — aus Angst vor Entdeckung. Ich hatte das
Geld, und plötzlich bedeutete es nichts mehr. Seitdem lebe ich als Penner. Ich
meide die Menschen. Ich bin scheu. Ich kenne nur noch Angst, und jede Uniform
erschreckt mich. Es ist grotesk. Ich musste Multimillionär werden, um als
Vagabund leben zu können. Das hier — dieses Dasein — ist meine wahre Berufung.
Aber jetzt werde ich sterben. Adieu, schöne Welt!
    Im Hintergrund seiner Höhle
stapelten sich Lumpen, Blechbüchsen und mehrere verschnürte Kartons. Zwei alte
Koffer waren dabei: billige, abgestoßene, verdreckte Behältnisse.
    Jeder enthielt etwa drei
Millionen Schweizer Franken. Und darunter befand sich nicht eine einzige
Banknote, die jünger als vier Jahre war — was den Drucktermin betraf.
    Heinrich Wurzel hatte auch
Papier und Bleistift in seiner Hütte.
    In dem Schreiben, das er jetzt
verfasste, war von Reue die Rede. Dass er wieder gutmachen wollte, was er
damals getan habe. Besonders den Bankdirektor Blunschli bat er um Verzeihung.
Er unterschrieb mit seinem wirklichen Namen, faltete das Blatt und suchte
vergeblich nach einem Briefumschlag. Ärgerlich schob er das Schreiben unter das
Kopfkissen seines dürftigen Lagers.
    Nachher, dachte er, bringe ich
beide Koffer in ein Bahnhofs-Schließfach. Den Schlüssel lege ich in den Brief,
und den werfe ich beim Polizei-Präsidium in den Briefkasten. Dann verkrieche
ich mich hier und eines späteren Tages wird man meine Gebeine finden. Aber erst
trinke ich noch einen Schluck Wein.
    Er suchte nach der Flasche.
    Plötzlich verdunkelte sich der
Eingang der Höhle.
    Als er aufblickte, stockte sein
Herzschlag.
    Das Rauschen des Flusses hatte
ihre Schritte übertönt. Sie waren den nur fußbreiten Pfad heruntergekommen, der
oben durch die Büsche führt und dann am Steilufer herab bis zur Höhle.
    Es waren drei Gestalten.

    Aber wie sahen die aus!
    Zwei waren in rote Gewänder
gehüllt, die bis zum Knöchel reichten. Der Dritte trug ein schwarzes. Sackartige
Masken verbargen die Köpfe. Der Schwarze hielt eine Pistole in der Hand, ein
anderer Handschellen.
    Stumm standen sie vor der
Höhle. Durch die Sehschlitze waren drei Augenpaare auf Robinson gerichtet.
    „Der ist richtig für uns“,
erklang es dumpf hinter einer Maske.
    „Ein Nichtsesshafter“,
bestätigte eine hellere Stimme.
    „Nehmen wir den?“, fragte der
Dritte.
    „Den!“, nickte der Schwarze.
„Satan wird begeistert sein. Den und keinen andern hat er gemeint.“
    Robinsons Herz pumperte. Wer
war das? Was hatten die vor?
    Die Pistole richtete sich auf
ihn.
    „Fesseln und knebeln!“, befahl
der Schwarze.
    „Nein!“, schrie Robinson. „Ihr
verwechselt mich. Ich habe nichts getan. Jedenfalls will ich alles wieder
gutmachen. Ich bitte euch.“
    Einer der Roten war stämmig.
Oswald Krause, der den Satanshof verwaltete und dort die Opfertiere versorgte,
verbarg sich unter der babylonischen Vermummung.
    Robinson wurde von ihm gepackt.
Handschellen fesselten seine Arme auf den Rücken. Mit einem breiten
Heftpflaster wollten sie Robinson den Mund verschließen. Aber das misslang —
wegen des Bartgestrüpps. Doch Krause riss ein Stück Stoff vom so genannten
Bettzeug ab und stopfte es Robinson zwischen die Zähne.
    Er sträubte sich, gab aber bald
auf. Sie zerrten ihn den Pfad hinauf, und bevor sie die Uferstraße erreichten,
verbanden sie ihm mit einem Tuch die Augen.
    Ein Kleinbus parkte am
Straßenrand. Rasch legten die drei ihre Clubgewänder und Masken ab.
    Claudia Sellig fuhr sich mit
dem Kamm durch die Haare. Hugo schwitzte. Seine Miene wirkte noch gereizter als
sonst. Rote Flecke brannten auf dem knochigen Gesicht.
    Sie schoben Robinson durch die
Heckklappe hinein. Er musste sich auf den Boden legen.
    „Und wehe, du rührst dich!“,
drohte Sellig.
    Krause glitt hinters Lenkrad.
Der Wagen gehörte ihm. Der graue Kastenwagen... AX 444 wartete hinter dem
nächsten Dorf. Dort wollten die Selligs aussteigen.

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