Die Sekte Satans
nur noch hoffen, dass Ihr Satan Ihnen hilft.
Klößchen, sieh auf die Uhr! 30 Sekunden! Zeit läuft.“
„Noch 29!“, rief Klößchen.
„Der ist wahnsinnig!“,
kreischte Claudia. „Hugo, ruf die Polizei!“
„Noch 26“, verkündete Klößchen.
Himmel, was mache ich bei
null?, überlegte Tim. Selbstverständlich rühre ich die beiden nicht an. Damit
würde ich mich ins totale Unrecht setzen.
Er beobachtete die Frau.
Mehrmals wechselte sie zwischen Signalrot und Totenweiß die Farbe. Die
schwarzen Augen glitzerten, aber das belebte sie nicht. Über dem Knochengesicht
ihres Mannes schien sich die Haut zu spannen als sei sie zu eng.
„Hör mal, Bengel!“, sagte er.
„Bevor du hier den Krawallonkel rauslässt, mache ich einen Gegenvorschlag. Wir
rufen die Polente. Und in deren Beisein könnt ihr unser Haus durchsuchen, das
Lager, den Keller — einfach alles. Dann wirst du sehen, dass du dich irrst.
Meine Frau war heute gar nicht dort draußen in Wacholderstetten. Wir stehlen
auch keine Opfertie... keine Katzen. Wir stehlen überhaupt nicht. Klar?“
„Wenn Sie mir versichern, dass
Sie noch nie gestohlen haben“, sagte Tim, „dann will ich Ihnen glauben. Dann
steht für mich fest: Sie beide haben nichts zu tun mit Humphreys Verschwinden.“
Sellig zögerte keine Sekunde.
„Wir sind ehrbare Geschäftsleute“, verkündete er. „Ein Vermögensdelikt kommt
für uns nicht in Frage. Ich habe noch nie gestohlen, betrogen oder geraubt.“
Für einen Moment herrschte
Stille.
„Über eine Minute ist um“,
sagte Klößchen. „Soll ich nochmal anfangen?“
Tim zeigte die meisten seiner
prächtigen Zähne, was die Selligs als Lächeln auslegen konnten, und schüttelte
den Kopf.
„Aber nein. Du hörst doch, wie
ehrenwert die Satan-Fans sind. Wir entlassen sie in ihren wohlverdienten
Feierabend, ehe wir abermals verwünscht werden. Oder mit Schädlingsgift auf uns
gesprüht wird.“
Er legte den Arm um Gaby und
trollte mit ihr durch die Einfahrt hinaus.
Kaum außer Hörweite, presste
sie eine Hand aufs wildpochende Herz. „Tim! Er hat Opfertie... gesagt.
Opfertiere sollte das heißen.“ Sie wisperte.
„Genau!“
Karl und Klößchen schlossen zu
ihnen auf. Beide hatten schreckgroße Augen.
„Habt ihr’s gehört?“, flüsterte
Karl. „Beinahe hätte er sich versprochen. Beinahe hätte er gesagt: Opfertiere.“
Tim nickte. „Und deshalb habe
ich zum Rückzug geblasen. Sie haben Humphrey. Das steht für mich fest. Aber
nicht hier. Hier können wir ihnen nichts anhaben oder nachweisen. Sonst hätten
sie nicht so bereitwillig die Polente eingeladen. Nein! Besser ist es, sie in
Sicherheit zu wiegen. Dreimal ist er vorbestraft, der Kerl. Aber wie ihr gehört
habt, hat er noch nie gestohlen, betrogen, geraubt. Mir ist, als er brabbelte,
ein ganzer Kronleuchter aufgegangen. Ahnt ihr’s? Eine ungeheuerliche
Verschwörung ist im Gang. Und Humphrey ist eins ihrer Opfer. Nur eins. Denn,
entsinnt euch!, über 30 Tiere wurden gestohlen — auch der Zwergesel vom kleinen
Florian Plinges.“
„Du meinst“, Gabys Lippen
bebten, „die alle wurden gestohlen, um als Opfertiere... ja, was?“
„Um getötet zu werden“, setzte
Tim die Überlegung fort. „Es sind Teufelsanbeter. Ihr Gott heißt Satan. Der
begnügt sich nicht mit der sonntäglichen Kollekte, den Spenden nach dem
Gottesdienst. Der will Blut sehen. Opfertiere müssen sterben. Und diese beiden
Verrückten — da wette ich — sind maßgeblich beteiligt. Aber wenn wir auf ihnen
rumklopfen, bringt das gar nichts. Die müssen schweigen, sonst sind sie gleich
mit beiden Hinterhufen im Knast. Nein, übertölpeln müssen wir sie.“
„Aber wie?“, fragte Gaby.
„Wir beobachten sie. Irgendwann
führen sie uns — unfreiwillig natürlich — zum Versteck der Tiere. Das muss groß
sein und in entlegener Gegend. Sonst fiele der Zoo auf. Hunde bellen, Kälbchen
muhen. Der Esel schreit.“
„Würde man sofort hören“,
meinte Klößchen. „Aber nur, wenn man in der Nähe ist. Deshalb sind die Tiere
bestimmt ganz weit draußen untergebracht. Wobei wir voraussetzen, dass sie noch
leben. Denn Tieropfer meuchelt man nicht täglich, sondern nur zu einem
bestimmten Anlass — sofern man zu den Verrückten gehört, die darauf
einsteigen.“
„Satans Geburtstag“, sagte
Gaby, „wäre ein Anlass. Kennt jemand das Datum?“
„Ich glaube nicht, dass die
Teufelsanbeter einen bestimmten Tag feiern — wie wir Weihnachten“, meinte Tim.
„Bringt mal
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