Die Sherbrooke Braut
erinnere, war er ein sehr netter Mann. Er war gut und, na ja, eben nett.«
»Ein hitzköpfiger junger Narr, weiter nichts«, erwiderte der Herzog. »Er, der Erbe von Northcliffe, weigerte sich, sein Offizierspatent zu verkaufen. Doch das tut ja jetzt nichts mehr zur Sache. Er ist am Leben geblieben und Graf geworden, da sehen die Dinge wieder ganz anders aus. Alle Sherbrookes waren Tories bis zurück zur Sintflut, könnte man sagen, und bei diesem Grafen verhält es sich wahrscheinlich nicht viel anders. Konservativ und gediegen in seiner Art, vermute ich mal, genau wie sein Vater Justin Sherbrooke. Nun, was soll’s. Ich werde wohl mit deiner Schwester sprechen müssen.« Er hielt einen Augenblick inne und betrachtete das Profil seiner Tochter. Klare, unschuldige Züge, stellte er fest, aber die Kopfhaltung und der helle Glanz ihrer grauen Augen verrieten auch noch Willensstärke. Ihre gerade schmale Nase, die hohen Backenknochen, das sanft gerundete Kinn erweckten den Eindruck von Gehorsam und Anschmiegsamkeit. Doch das traf nicht zu. Zumindest nicht seiner Erfahrung nach mit seiner Tochter. Doch seltsamerweise schien es ihr nicht bewußt zu sein, daß sie über stählerne Kraft verfügte, auch dann nicht, wenn sie sich heftig mit ihm auseinandersetzte. Ihr üppiges tizianrotes Haar war glatt aus dem Gesicht gekämmt und ließ ihre kleinen Ohren frei. Er fand beides, sie und ihre Ohren, einfach entzückend. Sie war kein so vollkommenes Geschöpf wie ihre ältere Schwester Melissande, aber sie war ganz nach seinem Geschmack, zumal sie weder Eitelkeit noch Engherzigkeit kannte und über eine gute Portion an Güte und Witz verfügte. Ja, sie war diejenige, die Verantwortung besaß, das Kind, das seinem Papa nicht widersprechen, das seine Pflicht der Familie gegenüber erfüllen würde. Wieder hatte er das untrügliche Gefühl, daß sie verstört war, und das stimmte ihn nachdenklich. Er sagte mit Bedacht: »Ich habe es dir zuerst erzählt, Alex, weil ich deine Meinung hören wollte. Auch wenn deine Mutter meint, du gleichst einer Tapete stumm und stets im Schatten von Melissande -, weiß ich es besser. Deshalb möchte ich gerne hören, was du von dieser Partie hältst.«
Er meinte, ein leichtes Zittern durchbebe sie bei seinen Worten. Mit grimmig verzogenem Gesicht überlegte er, ob wohl ihre Mutter wieder versucht hatte, ihren Frohsinn durch ständige Vergleiche mit ihrer Schwester zu dämpfen Er blickte sie prüfend an: »Fehlt dir irgend etwas, mein Schatz?«
»Ach nein, Papa. Es ist nur...«
»Nur was?«
Darauf zuckte sie mit den Achseln. »Ich frage mich nur, ob Melissande ihn jetzt noch nehmen wird. Sie will noch eine weitere Saison mitmachen, weißt du, und wir wollten nächste Woche aufbrechen. Vielleicht möchte sie abwarten, ob noch andere junge Männer für sie zu haben sind. Sie liebt die Männerjagd, hat sie mir gesagt. Oglethorpe sei eine schlabbrige Kröte gewesen, und sie sei heilfroh, daß seine Mama ihn gezwungen hat, sein Versprechen zurückzuziehen, ehe er sie noch weiter anquakte.«
Der Herzog stieß einen Seufzer aus. »Gewiß, deine Schwester hat über ihn recht gehabt, aber das ist jetzt nicht der Punkt. Du weißt, Alex, Geld muß immer eine gewichtige Rolle bei jeder Entscheidung spielen. Unsere Familie ist jetzt schon viele Jahre nicht gerade mit Glücksgütern gesegnet. Die Ausgaben in London während der Saison, die Kosten, um das Haus in Canyon Street auszustatten, der Preis ihrer Kleider und der ihrer Mutter, alles zusammen beläuft sich auf eine exorbitante Summe. Ich wäre bereit gewesen, diese als eine Art Investition nochmals auszugeben, zumal ich keine Alternative sah. Aber jetzt, da der Earl of Northcliffe ihr einen Antrag gemacht hat, werde ich statt Kosten eine Zuwendung bekommen.« Natürlich wußte der Herzog, daß er durch die Absage einer weiteren Saison Alexandra zugleich daran hinderte, an ihrer ersten Saison teilzunehmen. Aber die Kosten! Er fuhr sich mit der Hand durch das kastanienrote Haar. Was tun? Er fuhr fort, mehr zu sich zu reden, als zu seiner Tochter: »Und da ist noch Reginald, mein fünfundzwanzigjähriger Nachfolger, der in jeder Spielhölle, die London zu bieten hat, sein Geld verschleudert, riesige Schulden bei seinem Schneider Weston und seinem Buchmacher Holis und sogar noch bei Rundle und Bridge für >Klunker< macht, wie er diesen angeblich wertlosen Tand für seine Geliebten bezeichnet. Mein Gott, du hättest das Rubinarmband sehen sollen, das er
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