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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Themas wie eine Hand erschienen waren. Beim ersten Mal entdeckte ich, daß diese Täuschung vom grünen Seidenlampenschirm verursacht wurde, beim zweiten Mal aber hatte ich aufgeblickt, und mein Blick war an der Mumienhand haftengeblieben, die von dem an den Rändern der Jalousien hereindringenden Sternenschimmer beschienen wurde. Kein Wunder, daß ich sie mit dem Bericht in Verbindung brachte, denn wenn meine Augen mir keinen Streich spielten, befand sich hier in diesem Raum jene Hand, die der Orientreisende Van Huyn beschrieben hatte. Ich warf einen Blick zum Bett hinüber. Wie tröstlich, daß die Schwester dasaß, ruhig und wachsam. Es tat ungeheim wohl, einen lebenden Menschen in der Nähe zu wissen – zu einem Zeitpunkt wie diesem, in dieser Umgebung und bei dieser Lektüre.
    Ich saß da und blickte auf das vor mir auf dem Tisch liegenden Buch. Und dabei drängten sich mir so viele wundersame Gedanken auf, das sich in meinem Kopf alles durcheinanderzuwirbeln begann. Fast war mir, als übe das auf die weißen Finger vor mir fallende Licht eine hypnotische Wirkung aus. Ganz plötzlich aber kamen die Gedanken zu einem Stillstand, und einen Augenblick lang standen Welt und Zeit still.
    Da lag ja eine richtige Hand auf dem Buch? Was war dies, das mir widerfuhr? Ich erkannte die Hand, die auf dem Buch lag – und ich liebte sie. Der Anblick von Margaret Trelawnys Hand war für mich eine reine Freude, auch eine Freude sie anzufassen. Und doch übte sie, nach allem was geschehen war, eine seltsam bewegende Wirkung auf mich aus. Nur ganz flüchtig zwar und war auch schon vergangen, noch ehe ihre Stimme an mein Ohr drang.
    »Was erschreckt Sie? Warum starren Sie das Buch so an? Ich dachte schon, sie wären wieder jenem seltsamen Zustand nahe!«
    Ich sprang auf. »Ich las eben in einem alten Buch aus der Bibliothek.« Und schon hatte ich das Buch zugeklappt und es unter den Arm gesteckt. »Ich bringe es gleich zurück, weil ihr Vater meines Wissens großen Wert darauf legt, daß alle Dinge, und besonders Bücher, an ihrem Platz sind.«
    Meine Worte waren absichtlich irreführend, weil sie nicht wissen sollte, was ich gelesen hatte. Ich wollte ihre Neugier nicht wecken, indem ich das Buch herumliegen ließ. So ging ich hinaus, ging aber nicht in die Bibliothek, sondern legte es in mein Zimmer, wo ich das Buch zur Hand haben würde, nachdem ich mich tagsüber ausgeschlafen hatte. Als ich das Krankenzimmer wieder betrat, schickte sich Schwester Kennedy eben an, sich zur Rühe zu begeben. Miß Trelawny hielt nun mit mir Wache. In ihrer Gegenwart wollte ich nicht lesen. Wir saßen nahe beieinander und unterhielten uns flüsternd, während die Minuten verflogen. Mit Staunen nahm ich wahr, daß die Ränder der Gardinen sich von Grau zu Gelb, vom Licht verursacht, verwandelten. Was wir beide besprachen hatte mit dem Kranken nichts zu tun, höchstens insoweit, als alles was seine Tochter betraf, letztlich auch ihn betreffen mußte. Doch ging es in unserem Gespräch nicht um Ägypten, nicht um Mumien der Toten oder gar Höhlen und Beduinenscheichs. Im erwachenden Licht des Tages sah ich sehr wohl, daß Margarets Hand nicht sieben, sondern fünf Finger hatte, denn ihre Hand lag in der meinen.
    Nachdem Dr. Winchester am Morgen gekommen und nach seinem Patienten gesehen hatte, gesellte er sich zu mir, der ich im Speisezimmer saß und eben einen kleinen Imbiß zu mir nahm – Frühstück oder Mittagessen, ich wußte es nicht –, ehe ich mich zur Ruhe legen wollte. Mr. Corbeck kam zur gleichen Zeit, und wir konnten unser Gespräch dort aufnehmen, wo wir es am Abend zuvor unterbrochen hatten. Ich berichtete Mr. Corbeck, daß ich das Kapitel über die Auffindung des Grabes gelesen hätte und daß meiner Ansicht nach Dr. Winchester es ebenfalls lesen sollte. Dieser zeigte sich einverstanden und wollte das Buch mitnehmen, da er mit dem Zug nach Ipswich mußte, und es unterwegs lesen konnte. Am Abend, bei seiner nächsten Visite, würde er es wieder mitbringen. Ich eilte hinauf in mein Zimmer, um das Buch zu holen, doch konnte ich es nirgendwo finden. Dabei hatte ich deutlich in Erinnerung, daß ich es auf das Nachttischchen gelegt hatte, nachdem Miß Trelawny das Krankenzimmer betreten hatte. Das war allerdings seltsam. Denn dieses Buch war gewiß nicht von der Art, die Dienstboten an sich nehmen würden. Ich mußte also den anderen erklären, daß das Buch unauffindbar war.
    Nachdem Dr. Winchester sich empfohlen hatte, besprach Mr.

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