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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Geheimnis war. Die Überlieferung einer solchen Schreckensdrohung überdauert oft die eigentliche Ursache. Sogar in den benutzten Symbolen war die ständige Wiederholung auffallend. »Auf ewige Zeiten« wird in den Hieroglyphen als »Millionen von Jahren« angegeben. Dieses Symbol nun war neunmal wiederholt in Dreiergruppen. Und nach jeder Gruppe folgte das Symbol der Oberwelt, der Unterwelt und des Himmels. Die Rache der Götter verbot dieser Einsamen eine Auferstehung in der Welt der Sonne, in der Welt der Toten und der Seele ein neues Leben im Reich der Götter.
    Mr. Trelawny und ich wagten unseren Leuten nicht die Bedeutung des Geschriebenen zu erläutern. Obwohl sie nicht mehr an die Religion glaubten, der dieser Fluch entstammte und auch nicht an die Götter, mit deren Ver geltung hier gedroht wurde, waren sie doch so abergläubisch, daß sie, hätten sie Bescheid gewußt, wahrscheinlich alles hingeworfen und auf und davon gelaufen wären.
    Ihre Unwissenheit und unser Stillschweigen retteten uns. Wir schlugen in unmittelbarer Nähe unser Lager auf, jedoch hinter einem vorspringenden Felsen, so daß sie die Inschrift nicht ständig vor Augen haben mußten. Denn der überlieferte Name »Tal des Magiers« flößte ihnen Furcht ein und uns ihretwegen. Aus mitgebrachtem Holz wurde eine Leiter verfertigt. An einem Balken, der ganz oben am Felsen vorragte, hängten wir einen Flaschenzug. Die große, als Tür dienende Steinplatte war nur unbeholfen wieder an die vorbestimmte Stelle geschoben und mit ein paar Steinen abgesichert worden. Sie wurde durch ihr eigenes Gewicht an Ort und Stelle festgehalten. Um eindringen zu können, mußten wir die Platte hineindrücken, und kletterten sodann über sie hinweg. Wir fanden die große Kettenrolle am Fels befestigt, wie Van Huyn sie beschrieben hatte. In den Trümmern der großen Steintür, die oben und unten an eisernen Scharnieren gehangen hatte, fand sich eine Fülle von Beweisen, daß ursprünglich Vorsorge getroffen worden war, sie von innen zu schließen und festzumachen.
    Mr. Trelawny und ich gingen allein in die Gruft. Wir hatten eine Unzahl von Lichtern mitgebracht, die wir unterwegs festmachten. Wir wollten uns als erstes einen Überblick verschaffen und uns erst dann in die Einzelheiten vertiefen. Mit jedem Schritt wuchsen Verwunderung und Entzücken. Das Grab war eines der großartigsten und schönsten, das wir je zu Gesicht bekommen hatten. Die künstlerische Vollendung von Skulpturen und Malerei, die Vollkommenheit der Ausarbeitung, ließen klar erkennen, daß die Gruft schon zu Lebzeiten derjenigen geschaffen worden war, als deren letzte Ruhestätte sie schließlich dienen sollte. Die Hieroglyphenzeichnungen waren von großer Feinheit und von hervorragender Färbung. In dieser hochgelegenen Höhle, fern von den Feuchten Nilfluten, war alles so frisch, als hätten die Künstler eben erst ihr Werk vollendet. Etwas aber war nicht zu übersehen. Zwar war die Hieroglyphenschrift an der Außenwand das Werk der Priesterschaft, doch das Glätten der Oberfläche war vermutlich von den Erbauern durchgeführt worden. Die Symbolik der Malerei und der Inschriften im Inneren brachte dieselbe Idee zum Ausdruck. Die äußere Höhle, teils natürlichen Ursprungs, teils künstlich herausgehauen, war vom architektonischen Standpunkt aus nur eine Vor-Kammer. An ihrem Ende, dem Osten zugewandt, war ein säulengeschmücktes Portal, aus dem Fels gehauen. Die massiven Säulen waren siebeneckig, etwas, was wir noch in keinem anderen Grab gesehen hatten. Auf dem Architrav war das Mondboot nachgebildet und darin Hathor mit dem Kuhschädel und dem scheibenförmigen, federngezierten Kopfschmuck, neben ihr der hundsköpfige Hapi, der Gott des Nordens. Das Boot wurde von Harpocortes gen Norden gesteuert, dargestellt vom Polarstern, umgeben von Draco und dem Großen Bären. Im letztgenannten Sternbild waren jene Sterne, die wir »Wagen« nennen, größer als alle anderen dargestellt. Sie waren so vergoldet, daß sie im Fackellicht bedeutungsvoll aufzuleuchten schienen. Nach Durchschreiten des Portales fanden wir die zwei üblichen Räumlichkeiten eines Felsengrabes vor, die Kammer oder Kapelle und die eigentliche Gruft, vollständig wie Van Huyn festgestellt hatte, obgleich zu einer Zeit die Bezeichnungen der alten Ägypter für diese Teile noch unbekannt waren.
    Die Stelle oder Schrifttafel, die an der Westwand tief unten angebracht war, erwies sich als so bemerkenswert, daß wir sie eingehend

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