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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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mir gewandt.
    »Als man den Brief mit Ihren Anweisungen fand, bot ich meine Dienste an. Mein Anerbieten wurde angenommen.«
    »Und wie sind diese Tage für Sie verlaufen?« Seine Frage überraschte mich. Aus ihr hörte ich etwas von Margarets Ton und Gehaben heraus, etwas, das mich so stark an ihre unbeschwerteren Momente gemahnte, daß der Mann in mir angesprochen wurde. Ich fühlte nun schon viel festeren Boden unter den Füßen, als ich sagte:
    »Trotz der quälenden Ängste, trotz des Kummers, den sie für das Mädchen brachten, das ich mit jeder Stunde lieber gewann, waren diese Tage für mich die glücklichsten meines Lehens!«
    Daraufhin verfiel er in Schweigen. So lange, daß ich, während ich mit Herzklopfen auf sein nächstes Wort wartete, mich fragte, ob ich in meiner Offenheit zu weit gegangen wäre. Schließlich aber sagte er:
    »Vermutlich ist es sehr schwierig, für jemanden stellvertretend so viel zu sagen. Margarets Mutter hätte Sie jetzt hören sollen, wie hätte sie sich darüber gefreut!« Ein Schatten huschte über sein Gesicht, und er fuhr hastig fort: »Aber sind Sie dessen so sicher?«
    »Ich kenne mein Herz oder vermeine es zu kennen!«
    »Nein, nein!« gab er zurück. »Ich meine nicht Sie. Das geht in Ordnung. Nein, Sie sprachen von der Liebe meines Kindes zu mir… und dennoch…! Und dennoch hat sie hier in meinem Haus ein ganzes Jahr verbracht… nun, Sie sprach zu Ihnen von ihrer Einsamkeit, ihrer Verlassenheit. Niemals – niemals sah ich ein Zeichen ihrer Zuneigung, nicht ein einziges Mal während des ganzen Jahres, es betrübt mich, dies zu sagen, aber es stimmt…!« Seine Stimme bebte, als er sich in trauriger Versonnenheit verlor.
    »Dann war es mir vergönnt, in wenigen Tagen mehr zu erkennen, als Ihnen während eines ganzen Lebens!« sagte ich. Meine Worte schienen ihn zurückzurufen, und ich hatte das Gefühl, daß sich in ihm Freude mit Erstaunen mischten als er sagte:
    »Ich hatte ja keine Ahnung! Ich glaubte, ich wäre ihr gleichgültig, glaubte gar, dies wäre nun die Strafe dafür, daß ich sie in ihrer Jugend vernachlässigt hätte, meinte gar, sie hätte ein kaltes Herz… Es ist für mich eine unaussprechliche Freude, daß sie, die Tochter ihrer Mutter, mich auch liebt!« Er ließ sich auf sein Kissen zurücksinken, verloren in Erinnerungen an die Vergangenheit.
    Wie mußte er ihre Mutter geliebt haben! Es war die Liebe des Kindes dieser Mutter, die ihn rührte, nicht so sehr die eines eigenen Kindes. Mein Herz flog ihm in einer Woge der Sympathie und Zuneigung zu. Und ich fing an zu begreifen. Ich begriff das Wesen dieser zwei großen, wortkargen und zurückhaltenden Naturen, das den verzehrenden Hunger nach der Liebe des anderen so gut verbarg! Er nahm nicht weiter wunder, daß er schließlich vor sich hin murmelte: »Margaret, mein Kind! Zärtlich, rücksichtsvoll, stark, aufrecht und tapfer! Wie ihre teure Mutter!«
    In diesem Augenblick freute ich mich aus ganzem Herzen, daß ich so offen gesprochen hatte.
    Da sagte Mr. Trelawny unvermittelt:
    »Vier Tage! Am sechzehnten! Dann haben wir heute den zwanzigsten Juli?« Ich nickte dazu. Er fuhr fort:
    »Ich habe also vier Tage in Trance gelegen. Es ist nicht das erste Mal. Einmal lag ich unter seltsamen Bedingungen drei Tage lang in Trance, und hätte es selbst nicht gemerkt, wenn man mich nicht darüber aufgeklärt hätte, wieviel Zeit vergangen war. Eines Tages werde ich Ihnen das alles erzählen, wenn es Sie interessiert.«
    Ich war vor Freude außer mir. Daß er, Margarets Vater, mich so in sein Vertrauen ziehen wollte, ließ es möglich erscheinen, daß…! Doch der sachlich-alltägliche Ton, in dem er nun sprach, ernüchterte mich jäh: »Ich muß jetzt aufstehen. Und wenn Margaret kommt, dann sagen Sie ihr selbst, daß es mir wieder gutgeht. Damit ersparen wir ihr einen Schock! Und würden Sie wohl so gut sein, Corbeck auszurichten, daß ich ihn so bald als möglich sehen möchte. Ich möchte seine Leuchten sehen und hören, war er dazu zu berichten hat.«
    Seine Haltung mir gegenüber erfüllte mich mit Entzücken. Ich vermeinte, schwiegerväterliche Untertöne herauszuhören, die mir Beine machten. Ich lief also los, um seine Wünsche auszuführen. Kaum aber lag meine Hand auf der Türklinke, rief mich seine Stimme zurück:
    »Mr. Ross!«
    Das »Mister« wollte mir nicht gefallen. Nachdem er von meiner Freundschaft mit seiner Tochter erfahren hatte, hatte er mich »Malcolm Ross« genannt. Seine Rückkehr zur

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