Die sieben Finger des Todes
Förmlichkeit schmerzte mich und erfüllte mich mit einer Vorahnung. Es mußte mit Margaret zusammenhängen. Und jetzt weiß ich auch, was ich in diesem Augenblick fühlte: ich war entschlossen um sie zu kämpfen. Ich drehte mich um, mich unwillkürlich ganz aufrecht haltend. Mr. Trelawny, der unbestechliche Menschenkenner, schien meine Gedanken lesen zu können. Sein Gesicht, das bereits Zeichen erneuter Anspannung zeigte, wirkte gelassener, als er sagte:
»Setzen Sie sich noch einen Augenblick. Sprechen wir lieber jetzt gleich miteinander. Wir sind beide Männer von Welt, also sprechen wir von Mann zu Mann. Das alles, was meine Tochter betrifft, ist für mich neu und kommt unerwartet. Ich möchte genau wissen, wie und wo ich stehe. Bedenken Sie bitte, daß ich keinen Einwand mache. Doch als Vater habe ich Pflichten, schwere Pflichten, die sich als schmerzlich erweisen könnten. Ich – ich –«, er wußte nicht recht weiter, und ich schöpfte neue Hoffnung, »ich darf wohl annehmen, daß Sie, nach allem was Sie mir von Ihren Gefühlen für mein Kind sagten, wohl als künftiger Bewerber um Margarets Hand in Frage kommen.«
Ich antwortete ohne Zögern:
»Mein Entschluß steht absolut fest. Seit jenem gemeinsamen Abend auf dem Fluß war es meine Absicht, Sie aufzusuchen und zu fragen, ob ich mich mit dieser Frage an Margaret wenden dürfe – nach einer gewissen, den Anstandserfordernissen genügenden Zeitspanne, versteht sich. Die Ereignisse aber erzwangen eine engere Beziehung in viel kürzerer Zeit, als ich zu hoffen wagte. Doch meine Absicht blieb unverändert, ja sie nimmt an Heftigkeit mit jeder Stunde zu.«
Seine Miene wurde ganz sanft, als er mich ansah. Er wurde wohl von Erinnerungen an seine eigene Jugend übermannt. Nach einer Weile sagte er:
»Dann darf ich wohl annehmen, Malcolm Ross« – die vertrauliche Anrede erfüllte mich mit freudiger Erregung –, »daß Sie bislang zu meiner Tochter noch nicht von Ihren Absichten gesprochen haben?«
»Nicht in Worten, Sir«. Der Doppelsinn meiner Antwort zauberte ein ernstes, aber liebevolles Lächeln ins Angesicht ihres Vaters. Und in seiner Antwort lag Sarkasmus, als er sagte:
»Nicht in Worten! Das ist gefährlich! Worte hätte sie bezweifeln oder ihnen nicht trauen können!«
Ich spürte, wie ich bis zu den Haarwurzeln errötete, als ich fortfuhr: »Die Pflicht, angesichts ihrer hilflosen Lage Zurückhaltung zu üben, mein Respekt vor ihrem Vater – damals kannte ich Sie ja noch nicht persönlich – geboten mir Zurückhaltung. Aber auch ohne diese Hinderungsgründe hätte ich mich angesichts ihrer Kümmernisse und Ängste nicht zu erklären gewagt. Mr. Trelawny, ich geben Ihnen mein Ehrenwort, daß Margaret und ich, besonders, was sie betrifft, nicht mehr sind als gute Freunde!«
Wieder streckte er mir seine Hände entgegen, und wir wechselten einen warmen Händedruck. Daraufhin sagte er herzlich:
»Malcolm Ross, damit gebe ich mich zufrieden. Natürlich nehme ich an, daß Sie meiner Tochter gegenüber keinerlei Erklärung – in Worten – abgeben werden, ehe ich sie nicht gesehen habe und Ihnen dazu Erlaubnis gebe«, sagte er mit nachsichtigem Lächeln. Mit ernsterer Miene setzte er hinzu:
»Die Zeit drängt. Und ich habe Angelegenheiten so dringender und so außergewöhnlicher Natur zu bedenken, daß ich keine einzige Stunde mehr verlieren darf. Andernfalls hätte ich mich nicht in so kurzer Zeit und noch dazu mit einem mir fast unbekannten Menschen darauf eingelassen, über das zukünftige Glück meiner Tochter zu sprechen.« Sein Wesen, das von Würde und Stolz zeugte, beeindruckte mich ungemein.
»Ich werde Ihre Wünsche respektieren, Sir!« sagte ich und ging zur Tür. Ich hörte, wie er sie hinter mir abschloß.
Als ich Mr. Corbeck mitteilte, daß Mr. Trelawny wieder wohlauf sei, fing er einen Freudentanz an wie ein Wilder. Plötzlich aber hielt er inne und bat mich, ich solle Vorsicht walten lassen, wenn in Zukunft die Rede auf das Auffinden der Lampen oder auf die ersten Besuche im Grab käme.
Ich zeigte mich einverstanden, wenn ich auch den Grund für sein Verlangen nicht verstand. Immerhin wußte ich bereits, daß Mr. Trelawny ein eigenartiger Mensch war, und Zurückhaltung war keinesfalls ein Fehler.
Die anderen Hausbewohner nahmen die Nachricht von seiner Gesundung sehr unterschiedlich auf. Mrs. Grant weinte vor Freude. Dann eilte sie davon, um zu sehen, was sie plötzlich für ihn tun könne und um das Haus für den »Herrn«
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