Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
Vom Netzwerk:
Freund zu sehen und bat mich zu bleiben – in Übereinstimmung mit dem von Ihnen selbst geäußerten Wunsch es möge jemand Wache halten.«
    Bei Mr. Trelawny handelte es sich offensichtlich um einen Mann von schnellem Denkvermögen und wenig Worten. Er sah mich so scharf an, als könne er meine Gedanken lesen. Zu meiner großen Erleichterung ging er im Moment nicht weiter auf das Thema ein und begnügte sich mit meiner Erklärung. Der Grund hierfür lag tiefer und entzog sich meiner Kenntnis. In seinen Augen blitzte es auf, und sein Mund bewegte sich unwillkürlich – daß er gezuckt hätte, wäre schon zuviel gesagt. Es war jedenfalls ein Zug, der seine Befriedigung ausdrückte. Er schien zu überlegen und sagte plötzlich:
    »Sie glaubte also ich wäre ermordet worden! War es vergangene Nacht?«
    »Aber nein! Vor vier Tagen.« Er schien verwundert. Mittlerweile hatte er sich im Bett aufgesetzt, und es sah aus, als wollte er gar aufspringen. Nur mit Mühe hielt er sich zurück und sagte, sich in die Kissen zurücklehnend:
    »Rasch, erzählen Sie mir alles, was Sie wissen! Alle Einzelheiten! Lassen Sie nichts aus! Erst aber schließen Sie die Tür ab. Ehe ich jemand anders zu Gesicht bekomme, möchte ich wissen, wie die Dinge stehen!«
    Seine letzten Worte bewirkten, daß mein Herz einen Sprung tat. Er sah mich also als Ausnahme an! Ein tröstlicher Gedanke in meiner gegenwärtigen Gefühlslage seiner Tochter gegenüber. Hochgestimmt ging ich an die Tür und schloß leise ab. Als ich wieder ans Bett trat, hatte er sich aufgesetzt. »Fangen Sie an!« sagte er.
    Nun berichtete ich ihm jede kleinste Einzelheit, alles was sich seit meiner Ankunft hier im Hause ereignet hatte. Natürlich sagte ich kein Wort von meinen Gefühlen für Margaret. Und von Corbeck sagte ich nur, daß er Leuchten gebracht hätte, nach denen er lange gefahndet hätte. Sodann berichtete ich von deren Abhandenkommen und dem Wiederauftauchen in diesem Haus.
    Er hörte mir mit einer Beherrschung zu, die ich unter den gegebenen Umständen’ als schieres Wunder ansah. Dabei war es keine Teilnahmslosigkeit. Das gelegentliche Aufblitzen in seinen Augen und die heftig zupackenden Finger der unversehrten Hand, die die Decke zusammenknüllten, sprachen dagegen. Dies machte sich besonders bemerkbar, als ich ihm von Corbecks Rückkehr und dem Auffinden der Lampen im Boudoir erzählte. Manchmal sagte er etwas, aber immer nur ein paar Worte, und stets klang es unbewußt wie ein leidenschaftlicher Ausruf. Die rätselhaften Teile, die uns am meisten Kopfzerbrechen gemacht hatten, schienen ihn nicht sonderlich zu interessieren, so als wüßte er schon Bescheid. Die größte Gemütsbewegung aber zeigte er, als ich ihm von Daws Schüssen berichtete. Sein gemurmelter Kommentar: »dieser Esel!« im Verein mit einem hastigen Blick zu dem beschädigten Schrank zeigten das Ausmaß seiner Erbitterung an. Als ich ihm von der Besorgnis seiner Tochter erzählte, ihrer liebvollen Fürsorge, der zärtlichen Liebe, die sie bewiesen, schien er sehr gerührt. Das Flüstern, das sich ihm unwillkürlich entrang, ließ Erstaunen durchklingen: »Margaret! Margaret!«
    Nachdem ich mit meinem Bericht bis in die unmittelbare Gegenwart vorgedrungen war, bis zu dem Augenblick nämlich, da Miß Trelawny sich zu dem Spaziergang entschlossen hatte – in Gegenwart ihres Vaters nannte ich sie in Gedanken »Miß Trelawny« und nicht mehr »Margaret« – schwieg er lange still. Plötzlich aber wandte er sich an mich und sagte drängend:
    »Und jetzt erzählen Sie mir von sich!« Das kam für mich reichlich unerwartet, und ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Mr. Trelawnys Blick ruhte auf mir, gelassen und fragend, aber niemals in ihrer scharfen, seelenzergliedernden Beobachtung nachlassend. Die seinen Mund umspielende Andeutung eines Lächelns steigerte meine Verlegenheit, bedeutete aber andererseits auch eine Erleichterung für mich. Nun, ich sah den Schwierigkeiten meiner lebenslangen Gewohnheit folgend gerade ins Angesicht, und sagte:
    »Wie ich schon sagte, heiße ich Ross, Malcolm Ross. Ich bin Anwalt und wurde im letzten Regierungsjahr der Königin bei Gericht zugelassen. Ich habe mich in meinem Beruf leidlich bewährt.«
    Zu meiner Erleichterung sagte er:
    »Ich weiß! Ich habe von Ihnen gehört! Wo und wann lernten Sie Margaret kennen?«
    »Wir begegneten einander zum ersten Mal vor zehn Tagen im Haus der Hays am Belgrave Square. Und dann bei einem Picknick

Weitere Kostenlose Bücher