Die sieben Finger des Todes
wußte, daß ich sie liebte und glauben durfte, sie erwidere meine Gefühle. Nun aber wurde ihr Hingabe durch den Händedruck besiegelt, durch die Glut, mit der sie meine Hand umfaßte, das wundervolle Aufleuchten der Liebe in ihren schönen, tiefen dunklen Augen – das alles drückte so viel aus, wie der ungeduldigste und stürmischste Liebhaber erwarten durfte.
Es wurde kein Wort gewechselt. Es bedurfte auch keiner Worte. Auch wenn ich nicht verpflichtet gewesen wäre zu schweigen, hätten Worte meine Gefühle nur ungenügend und farblos auszudrücken vermögen. Hand in Hand wie kleine Kinder schritten wir die Treppe hinauf und warteten oben, bis Mr. Trelawny uns riefe.
Ich berichtete ihr, in dem ich die Worte in ihr Ohr flüsterte – das war hübscher, als laut und aus größerer Entfernung zu sprechen –, wie ihr Vater erwacht war und was er gesagt hatte, kurz, alles was zwischen uns gesprochen worden war mit Ausnahme, des Themas, das sie selbst betraf.
Schließlich wurde in seinem Zimmer eine Glocke geläutet. Margaret entglitt mir und warf mir, den Finger auf die Lippen gelegt, einen mahnenden Blick zu. Leise klopfte sie an.
»Herein!« sagte eine kräftige Stimme.
»Ich bin es, Vater!« In ihrer Stimme bebten Liebe und Hoffnung. Hastige Schritte wurden hörbar. Die Tür wurde aufgerissen, und gleich darauf lag Margaret in den Armen ihres Vaters. Gesprochen wurde nur wenig, es wurden nur ein paar abgerissene Sätze gewechselt.
»Vater! Lieber, lieber Vater!«
»Mein Kind! Margaret! Mein liebes Kind!«
»Vater, Vater! Endlich, endlich!«
Daraufhin betraten Vater und Tochter gemeinsam das Zimmer, und die Tür wurde geschlossen.
14. KAPITEL
DAS GEBURTSMAL
Während ich auf Mr. Trelawnys Aufforderung zu ihm zu kommen wartete, zog sich für mich die Zeit in die Länge. Nach den ersten glücklichen Augenblicken von Margarets Freude fühlte ich mich irgendwie ausgeschlossen und einsam. Und ich verspürte ganz kurz die Selbstsucht des Liebenden. Dies aber ging rasch vorbei. Margarets Glück ging mir über alles, und im Bewußtsein dessen überwand ich meine niedrigeren Regungen. Margarets letzte Worte vor dem Schließen der Tür stellten den Schlüssel zur gesamten Lage dar, zur Lage, wie sie sich in Vergangenheit und Gegenwart darstellte. Diese zwei stolzen, kraftvollen Menschen, waren einander erst nähergekommen, als das Mädchen bereits erwachsen war, ungeachtet der Tatsache, daß sie Vater und Tochter waren.
Stolz und Willensstärke und dazu die Zurückhaltung, die beide prägte, ließen zu Beginn eine Schranke entstehen. Und in weiterer Folge hatten die beiden die Zurückhaltung des anderen so sehr respektiert, daß ihnen das Mißverständnis zur Gewohnheit wurde. Zwei Herzen, die sich nach der Zuneigung des anderen sehnten, konnten nicht zueinander finden. Nun aber war alles gut, und ich freute mich aus innerstem Herzen, daß Margaret schließlich doch glücklich geworden war. Während ich über diese Dinge nachsann und mich Träumereien ganz persönlicher Natur hingab, ging die Tür auf, und Mr. Trelawny winkte mich zu sich.
»Kommen Sie, Mr. Ross!« sagte er herzlich, doch mit einer gewissen Förmlichkeit, die mir Angst machte. Ich trat ein, und er schloß die Tür. Ich erfaßte seine mir entgegengestreckte Hand. Und er ließ sie nicht mehr los und zog mich mit sich zu seiner Tochter. Margaret sah von mir zu ihm und wieder zurück, dann senkte sie den Blick. Als ich vor ihr stand, ließ Mr. Trelawny meine Hand los und sagte, seine Tochter direkt anblickend:
»Wenn die Dinge so stehen, wie ich es mir vorstelle, dann sollen zwischen uns keine Geheimnisse sein. Malcolm Ross weiß schon so viel von meinen Angelegenheiten, daß er nun entweder auf der Stelle geht und alles auf sich beruhen läßt, oder aber – mehr erfahren muß. Margaret, wärest du bereit, Mr. Ross dein Handgelenk zu zeigen?«
Sie warf ihm einen flehenden Blick zu, einen Blick, der jedoch Entschlossenheit Platz machte. Wortlos hob sie die rechte Hand, so daß der das Gelenk bedeckende Armreif mit den ausgebreiteten Schwingen zurückglitt und man das nackte Fleisch sah. Da durchfuhr mich eisiges Schaudern.
Um ihr Gelenk zog sich eine dünne rotgezackte Linie, an der rote Flecken gleich Blutstropfen hingen!
Da stand sie nun, demütig und stolz gleichermaßen.
Ja, stolz war sie! Durch ihren Liebreiz hindurch, durch ihre Würde, ihre hochherzige Selbstverleugnung, die ich kennengelernt hatte und die mir nie
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