Die sieben Finger des Todes
einzuschleichen.
Noch vor neun war ich wieder in Kensington. Alle Bangigkeit war wie eine düstere Wolke verflogen, als ich Margaret gegenübertrat und sah, daß ihre Blässe bereits der blühenden Frische gewichen war, die ich von früher kannte. Sie sagte mir, ihr Vater hätte gut geschlafen und würde sich bald zu uns gesellen.
»Ich glaube nämlich«, flüsterte sie, »daß mein lieber und fürsorglicher Vater sich mit Absicht zurückhält, damit ich dich als Erste, und zwar alleine begrüßen kann!«
Nach dem Frühstück führte Mr. Trelawny uns in sein Arbeitszimmer und sagte im Eintreten: »Ich habe Margaret ebenfalls hierhergebeten.«
Wir nahmen Platz, und er fuhr sehr ernst fort: »Ich sagte schon gestern, daß es allerhand zu bereden gäbe. Und ich darf wohl annehmen, Sie glaubten, es handle sich um Margaret und Sie selbst, habe ich recht?«
»Ja, das dachte ich mir.«
»Nun, mein Lieber, das stimmt. Margaret und ich wir haben miteinander gesprochen, und ich weiß nun um ihre Wünsche.«
Er streckte seine Hand aus. Nachdem ich sie geschüttelt hatte, küßte ich Margaret, die ihren Stuhl so nahe heranzog, daß wir uns beim Zuhören an den Händen halten konnten. Er fuhr nun fort zu reden, mit einem gewissen Zögern allerdings – Nervosität kann ich es nicht nennen – die ich an ihm nicht kannte:
»Sie kennen schon viele Einzelheiten meiner Jagd nach dieser Mumie und ihren Besitztümern. Und ich darf annehmen, daß sie einen guten Teil meiner Theorien bereits ahnen. Doch diese möchte ich später kurz und bündig erklären, falls es sich als nötig erweisen sollte. Ich möchte Sie nun in folgendem um Rat fragen: Margaret und ich sind uns in einem Punkt nicht einig. Ich habe die Absicht, ein Experiment durchzuführen, ein Experiment, daß die Krönung all dessen sein soll, was ich zwanzig Jahre lang unter Mühen und Gefahren zu erforschen suchte. Durch dieses Experiment könnten wir Dinge erfahren, die jahrhundertelang den Augen und dem Wissen der Menschen entzogen waren. Ich möchte nicht, daß meine Tochter diesem Experiment beiwohnt, denn ich kann meine Augen nicht vor der Tatsache verschließen, daß damit Gefahr verbunden sein könnte – große Gefahr unbekannter Art. Ich selbst hingegen habe großen Gefahren unbekannter Art bereits ins Angesicht gesehen. Und ebenso dieser beherzte Wissenschaftler, der mir in meiner Arbeit half. Was mich betrifft, bin ich gewillt jedes Risiko auf mich zu nehmen, denn die Naturwissenschaften, die Geschichtsforschung und die Philosophie könnten Nutzen daraus ziehen. Und wir könnten eine Seite aufschlagen, die uns ein in dieser nüchternen Zeit unbekanntes Wissen enthüllt. Daß meine Tochter ein solches Risiko eingeht, kann ich nicht zulassen. Ihr junges Leben ist zu kostbar, als daß man es leichtfertig aufs Spiel setzen dürfte, schon gar nicht zum jetzigen Zeitpunkt, da sie an der Schwelle eines neuen Glücks steht. Ich kann nicht zulassen, daß ihr Leben dahingegeben wird, wie das ihrer teuren Mutter…«
Es war um seine Fassung geschehen, und er bedeckte die Augen mit den Händen. Sofort war Margaret an seiner Seite, umfing ihn, küßte ihn und tröstete ihn liebevoll. Dann richtete sie sich auf und sagte, eine Hand auf sein Haupt gelegt:
»Vater! Mutter hat dich nicht gebeten zu bleiben, auch damals nicht, als du vor der Reise nach Ägypten standest, die voller unbekannter Gefahren war, denn im Lande herrschte Krieg. Du selbst hast mir berichtet, wie sie dich nicht zurückhielt, obgleich sie Gefahr für dich ahnte, wofür dies hier der Beweis ist!«
Sie hob die Hand mit der Narbe, die blutig schien. »Nun handelt die Tochter so, wie die Mutter es getan hätte!« Damit wandte sie sich an mich:
»Malcolm, du weiß, daß ich dich liebe! Doch ist Liebe Vertrauen. Du mußt mir also Vertrauen schenken in Zeiten der Gefahr wie der Freude. Du und ich wir müssen Vater in dieser unbekannten Gefahr zur Seite stehen. Gemeinsam werden wir sie überstehen – oder wir gehen gemeinsam unter. So ist es mein Wunsch. Mein erster Wunsch an meinen künftigen Gatten. Meinst du nicht auch, daß ich als Tochter richtig handle? Sage meinem Vater, was du davon hältst!«
Sie war wie eine Königin, die sich zu einer Bitte herabläßt. Meine Liebe zu ihr wuchs ins Unermeßliche. Ich stand auf und sagte, ihre Hand in der meinen haltend:
»Mr. Trelawny, in dieser Sache sind Margaret und ich eines Sinnes!«
Er nahm unser beider Hände und hielt sie ganz fest. Sodann sagte er
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