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Die sieben Häupter

Die sieben Häupter

Titel: Die sieben Häupter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Belinda; Kinkel Richard; Rodik Ruben; Dübell Malachy; Wickenhäuser Mani; Hyde Tessa; Beckmann Horst; Korber Helga; Bosetzky Titus; Glaesener Rebecca; Müller Guido; Gablé Dieckmann
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daß der Fremde kein gewöhnlicher Bettler oder Trunkenbold war. Er schien auch kein Bauer zu sein, jedenfalls keiner aus der Gegend, denn Ethlind kannte jedes Gehöft an der Straße nach Dessau, gleichgültig, ob es von freien Zinsbauern, wie ihrer Familie, oder Hörigen bewohnt wurde.
    Die schlanken weißen Finger dieses Mannes hatten weder jemals einen Pflug geführt noch eine Forke in den Ackerboden geschlagen. Möglicherweise gehörte er dem Ritterstand an, oder er war ein Kaufmann, der auf dem Handelsweg nach Polen Wegelagerern zum Opfer gefallen war. Nun, da Kaiser und Papst sich unter den Edlen des Reiches Verbündete suchten, um ihren unheilvollen Machtstreit auszufechten, gab es kaum noch eine Landstraße, die für unbescholtene Reisende sicher war.
    Während Bertha geräuschvoll in der Stube ihres Herrn hantierte, betrachtete Ethlind den Fiebernden. Seine Haut glänzte in dem schwachen Lichtstreifen, der durch die Kammertür drang, wie brüchiger Sandstein. Seine dunklen, gewellten Haare hatte Ethlind mit duftender Honigseife gewaschen, sorgfältig gekämmt und im Genick mit einem Lederriemen zusammengebunden. Den verfilzten schwarzgrauen Bart hatte sie ihm jedoch kurzerhand abgenommen. Sie fand, daß der Fremde trotz seiner entstellenden Blessuren gut aussah. Irgendwie südländisch, auch wenn sie nicht zu sagen vermochte, worauf sich ihr Gefühl begründete, denn sie hatte in ihrem jungen Leben den kleinen Weiler kaum verlassen. Doch wer, bei allen Heiligen, war er? Was hatten die sonderbaren Worte zu bedeuten, die er während seiner ersten Nacht in der Kate im Fiebertraum gerufen hatte?
    Cathay … Mongolenpfad …
    Energisch schüttelte sie diese Gedanken ab und drehte sich nach der jungen Magd um, die soeben in die Kammer gestapft kam. Bertha balancierte eine bis zum Rand gefüllte Holzschüssel in den Händen. Über ihrem Arm hingen mehrere Streifen Linnen. »Der Bursche ist nicht nur verwundet, sondern schwachsinnig, wenn du mich fragst«, sagte sie mit gerümpfter Nase. »Schwachsinnig oder versponnen wie du selbst und …«
    »Dich fragt aber keiner! Stell gefälligst die Schüssel neben den Bettkasten, ehe das ganze Stroh aufweicht!«
    Ethlind nahm den Schwamm, tauchte ihn in das eiskalte Wasser und beobachtete einen Augenblick lang gebannt, wie die einzelnen Tropfen unter ihren Händen zurück in die Schüssel perlten. »Du kannst gehen, Bertha. Ich brauche dich heute nicht mehr im Haus.« Kein Mensch braucht dich hier, setzte sie in Gedanken hinzu und lächelte, als die Magd beleidigt hinausging.
    Plötzlich drang ein gequältes Seufzen an ihr Ohr. Dem Laut folgte ein Wort, undeutlich, wie das Glimmen eines Feuers, kurz bevor es erlischt. Ethlind hatte dasselbe Wort schon einmal vernommen, damals in der ersten Nacht ihrer Krankenwache. Aufgeregt starrte sie zum Lager des Fremden hinüber.
    » Gebt ihm … den Samen des Drachen. Er ist … das Ende der Welt. Der Herr befiehlt …«
    Da! Hatte er sie nicht soeben erst angesehen? Einen Herzschlag lang hatten sich ihre Blicke gekreuzt. Ethlind spürte seine Augen wie glühendes Eisen auf der nackten Haut. Es war, als habe das Fieber auch sie heimgesucht.
    Die Lippen des Fremden öffneten und schlossen sich rhythmisch, als versuchte er zu kauen.
    »Sterbt nicht, mein guter Herr«, flüsterte Ethlind voller Angst. »Ich will, daß Ihr bleibt.«
    Er erwachte unter einem Himmelsdach aus rotem Stoff, der glänzte, als hätten sich tausend Sonnenstrahlen in ihm versteckt. Auch die Kissen und Decken, auf denen er lag, fühlten sich glatt und kühl an wie Metall, dabei waren sie zart und warm. Sein Körper duftete nach Orangenblüten, Jasmin und einigen Pflanzen und Früchten, die er nicht einmal kannte. Über ihm, an der Decke des Gemachs, schaukelten große bunte Lampen. Sie waren mit verschiedenen Tierbildern geschmückt und schimmerten durchsichtig wie Pergament. Er hatte nie zuvor etwas Schöneres gesehen, nicht in Ägypten und auch nicht in Persien.
    Zwei hübsche, schmale Augen blickten ihn abschätzend an. Sie gehörten einem jungen Mädchen, das eine goldene Glocke in der Hand hielt. Sie war schmaler gebaut als die Mongolenmädchen, die er auf dem Markt der Hafenstadt Kaffa gesehen hatte, doch ihr Haar war ebenso dunkel und glatt. Einen Herzschlag lang sah die junge Frau auf die Glocke in ihrer Hand. Dann öffnete sie die Lippen, um ihn anzusprechen. Ihre Stimme klang süß wieEngelsgesang, aber er verstand kein Wort von dem, was sie sagte. Erst

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