Die siebte Gemeinde (German Edition)
einen Ausbruch zu erlauben, schluckte er den Schmerz hinunter.
»Emma Kemmerling«, sagte er bockig und schaute trotzig zur Verbindungstür, die in Hiltrud Kirchners Büro führte. »Würden Sie uns bitte für einen Moment alleine lassen. Ich möchte mit dem Professor unter vier Augen sprechen.«
Emma stand wortlos von ihrem Stuhl auf, griff ihre Tasche und verließ das Büro, durchaus froh, dieser bedrückenden Stimmung zu entgehen. Sie fand Frau Kirchner hinter ihrem Schreibtisch sitzend vor, die mit einem Kopfhörer auf ihrem toupierten Haar ein Diktat abtippte.
»Na, Süße«, sagte diese beiläufig, während sie auf die Tastatur hämmerte und stur auf den Bildschirm starrte, »hat man Sie rausgeschmissen? Die Männer wollten wohl unter sich sein, was?«
»Ja, ja«, antwortete Emma, ließ sich auf einen Stuhl fallen und kramte demonstrativ in ihrer Tasche. Sie hoffte, keine unangenehmen Privatfragen beantworten zu müssen und holte ihr Handy hervor. Schockiert stierte sie auf das Display. Elf Anrufe in Abwesenheit. Hektisch rief sie die Anruferliste auf, und es wurde ihr heiß und kalt. Sämtliche Anrufe stammten aus der Kanzlei. Sie hatte vollkommen vergessen, sich dort zu melden. »Scheiße, die haben ja gar keine Ahnung, was passiert ist.«
»Was haben Sie gesagt?«, fragte Hiltrud Kirchner und hob ihren Kopfhörer an.
»Wie? Was?«, fragte Emma irritiert zurück, immer noch auf ihr Handy blickend. »Nichts, Frau Kirchner. Ich habe nur mit meinem Handy gesprochen.«
»Ja, das erlebe ich hier öfters«, grinste die Sekretärin und schlug wieder in die Tasten.
Kurz entschlossen rief Emma in der Kanzlei an und betete innerlich, dass es nicht zu großen Ärger gegeben hatte. Es klingelte lange. Niemand hob ab. Auf ihre Uhr schauend stellte sie entsetzt fest, dass es bereits nach 17 Uhr war und die meisten vermutlich schon nach Hause gegangen waren. Wahrscheinlich auch Marianne Kaup, ihre Sekretärin. Sie ließ es unbeirrt klingeln und nach drei weiteren Rufsignalen meldete sich endlich jemand.
»Mensch, Frau Kemmerling, wo haben Sie denn gesteckt?«, rief Frau Kaup in den Hörer, die vollkommen vergaß, ihren Standardbegrüßungsspruch verlauten zu lassen. »Hier ist die Hölle los. Die Bücher-Bilanzbesprechung ist geplatzt, und die Chefs haben ständig nach Ihnen gesucht. Ich durfte nicht eher nach Hause gehen, bis ich Sie endlich gefunden hatte.«
Emma schluckte und kratzte sich nervös am Hals. »Das ist eine lange Geschichte, Frau Kaup, die erzähle ich Ihnen morgen.« Sie überlegte kurz. »Moment mal, wieso ist die Bücher-Besprechung geplatzt? Die sollte doch Walter erledigen. Dazu hätte es mich nicht gebraucht.«
»Ich weiß. Bereits kurz nachdem sie weg waren, kam er zu mir ins Büro und hat mich gebeten, die Büchers auszuladen und einen neuen Termin zu vereinbaren. Dann ist er ebenfalls verschwunden.« Emma hörte, wie Marianne Luft holte. »Und Herr Menner hat Sie mindestens fünfmal gesucht. Der ist vielleicht sauer, kann ich Ihnen sagen. Den würde ich heute am liebsten nur noch von hinten sehen.«
Emma schlug sich gegen die Stirn. »Scheiße, die Prüfung morgen hatte ich total verdrängt. Ich, äh, ich bin in einer halben Stunde im Büro, Frau Kaup. Tun Sie mir bitte noch einen Gefallen, bevor Sie nach Hause gehen. Können sie mir die Liebig-Verträge auf den Schreibtisch legen? Danke Ihnen und einen schönen Feierabend.«
Emma stürzte unverzüglich in das Büro des Professors. Die beiden Männer saßen mit hängenden Köpfen auf der Besuchercouch und unterhielten sich.
»Ich muss unbedingt ins Büro zurück«, rief Emma den beiden zu, ohne sie anzuschauen. »Die machen mir die Hölle heiß. Ich rufe mir schnell ein Taxi und fahre in die Stadt zurück. Wir unterhalten uns morgen wegen dieser Sache hier, Elias. Ich melde mich bei Ihnen. Sollte noch etwas sein, haben Sie ja meine Nummer.« Emma schlug die Tür zu und verschwand in Hiltrud Kirchners Büro. Von dort aus bestellte sie sich ein Taxi.
Während sie wartete, schlenderte sie neben dem Schreibtisch der Sekretärin hin und her. Der Wagen sollte in zehn Minuten da sein, hatte die Dame der Zentrale versprochen. Solange wollte sie nicht in der Kälte stehen. Beiläufig blickte sie auf den Schreibtisch, auf dem halb versteckt unter den Blättern eines Farnes eine Tageszeitung lag.
»Na, das nenn ich mal Zufall«, murmelte Emma, griff sich die Seite und las den Bericht, dessen Überschrift ihre Aufmerksamkeit erregt hatte: »
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