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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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versehen ist. In der Nähe der Kapelle steht das ansehnliche Steinhaus des Siechenmeisters, an das sich der weitläufige Wohntrakt der männlichen Kranken anschließt.
    Genau gegenüberliegend, von der mächtigen Hofmauer umsäumt, befinden sich das Haus der Priorin und der Wohntrakt der Frauen. Den Abschluss dieser Liegenschaften bilden der Speisesaal und das Küchengebäude, die nahe dem großen Flügelportal liegen. Direkt neben dem Portal steht das kleine Pförtnerhäuschen, das von dem Schellenknecht bewohnt wird. Rechts und links in die jeweilige Mauerecke hineingebaut, streng getrennt wie die Wohnbereiche auch, befinden sich die beiden Badehäuschen für die Schwestern und Brüder. In der nördlichen Ecke des Gehöfts sind kleine Hüttchen und Buden zu sehen, die den armen Aussätzigen als Behausungen dienen. An sie grenzt das ebenfalls eher bescheiden anmutende Gesindegebäude, auf welches nun Gottfried mit Mäu im Schlepptau zielstrebig zusteuert. Sie erklimmen eine steile Holzstiege, die bei jedem Schritt vernehmlich knarrt, durchqueren einen schmalen Gang mit vier Türen auf jeder Seite. Gottfried öffnet die letzte Tür auf der linken Flurseite und sie betreten eine winzige Dachkammer, die einer Klosterzelle gleicht. Die Wände sind frisch getüncht, und über der gemauerten Schlafkoje an der Stirnseite hängt ein schlichtes Holzkreuz. Eine kleine Fensterluke befindet sich in der Dachschräge. Das karge Mobiliar besteht aus einem Tisch, einem Schemel und einer Holztruhe, auf der drei blaue Kittel liegen.
    „Setz dich hin und schau dich in Ruhe um. Das ist jetzt dein Reich. Hab es gestern noch frisch geweißt für unsere Abdecker-Prinzessin. Vorne am Portal liegen noch ein paar Bündel, die dir gehören. Hat dein Alter dabeigehabt, als er dich heut Morgen auf seinem Karren hergebracht hat. Kannste dir später holen. Ich bring dir noch einen frischen Strohsack für deine Koje und eine saubere Decke aus der Wäschekammer, so hat es Bruder Ulrich angeordnet, denn es soll dir ja an nichts mangeln. Fehlt nur noch, dass wir eine wie dich auf Daunen betten und ihr Honig ums Maul schmieren“, endet Gottfried gehässig und verlässt grußlos die Kammer.
    Mäu lässt sich auf den Hocker sinken. Sie fühlt sich unendlich schläfrig und bleiern, jeder Knochen tut ihr weh und es fröstelt sie am ganzen Leib. Sie ist noch gar nicht richtig bei sich und alles erscheint ihr wie ein seltsamer, böser Traum. Jedes Geräusch, jede Stimme dringt nur gedämpft zu ihr durch, so, als würde sie in einer tiefen Höhle sitzen. Die Leute um sie herum kamen ihr vorhin vor, wie hässliche Kobolde, die sich ganz komisch gebärden und sie durch ihr schrilles Gequäke nur davon abhalten, endlich in süßen Schlummer zu fallen. Ihre Augenlider werden wieder schwer und sie ergibt sich ganz und gar ihrer Müdigkeit, hat nur den einen Wunsch: zu schlafen, tief und fest zu schlafen (um zu vergessen). Um zu vergessen? Zu vergessen, zu vergessen, zu vergessen! – Was zu vergessen?
    Fahrende muss man ziehen lassen…! – Die Erinnerung daran, dass der Fuchs und seine Leute sie so schmählich im Stich gelassen haben, schmerzt sie bis ins Mark. Und ich bin jetzt hier auf dem verdammten Gutleuthof! , durchfährt es sie wie ein Blitz und sie richtet sich wie erstarrt auf. Was ist denn überhaupt passiert?, versucht sie sich zu besinnen. Sie kann sich noch genau daran erinnern, wie sie im Frauenhaus, nachdem Martha gegangen war, die ganze Phiole mit dem Theriak leer getrunken hat. Ganz wohl war ihr davon zumute und dann war auf einmal alles zappenduster. Und an mehr kann sie sich beim besten Willen nicht mehr erinnern! Hat keinen Schimmer davon, was danach passiert ist. Wie sie hierher gekommen ist und so. Alles ist weg! Sie weiß gar nichts, weiß nicht, wieso sie jetzt in dieser Kammer hockt und was das alles zu bedeuten hat!
    Verzweifelt lässt sie sich wieder auf den Schemel sinken und heult wie ein Schlosshund.
    In diesem Zustand findet der mit dem Strohsack und der Decke zurückkehrende Schellenknecht Mäu vor. Etwas ratlos bleibt er vor ihr stehn und starrt sie betreten an.
    „Was heulst du denn so, du dummes Ding? Ist doch alles zu deinem Besten! Hast jetzt hier deinen festen Platz und hast obendrein einen großzügigen Gönner gefunden, da wirste dir satt die Taler zurücklegen können, im Lauf der Jahre, glaub mir! Kannst es doch gar nicht besser treffen. Und wenn er irgendwann ins Gras beißt, dein feiner Dienstherr, dann kriegste

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