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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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ihren Habseligkeiten auf dem Boden liegen. Sie sind inzwischen feucht geworden. Sie klemmt sich die zusammengeknüpften Leinensäcke unter die Arme und trägt sie zum Gesindehaus. Dabei geht sie an der Mauer entlang und mustert sie verstohlen. Mehr als zwei Meter hoch ist sie, aus soliden Steinen gebaut und oben noch mit einer Krone aus spitzen Eisenzacken versehen. Da kommt keiner drüber, ohne sich zu verstümmeln, stellt sie niedergeschlagen fest und nähert sich ihrer neuen Heimstatt. – Aber vielleicht gibt es ja noch bessere Stellen, sie wird das schon noch überprüfen. In ihrer Kammer breitet sie die klammen Kleidungsstücke aus den Bündeln zum Trocknen aus. Wehmütig streicht sie dabei über ihr lindgrünes Leinenkleid. Das hatte sie damals auf der Herbstmesse angehabt, als sie den Fuchs kennen lernte. Sie erinnert sich noch genau an jedes Detail, sieht seine frechen, blitzenden Augen vor sich, in die sie sich sofort verguckt hat. Unwillkürlich steigen ihr die Tränen in die Augen und sie trauert um die kurze, glückliche Zeit mit ihm und dass er sich einfach so aus dem Staub gemacht hat. So ein mieser Kerl! Es lohnt sich nicht , um den zu heulen! , denkt sie wütend und trocknet sich die Tränen. Jetzt muss ich erst mal gucken, wo ich bleib. Und eines ist sicher: hier bestimmt nicht! Aufgewühlt verlässt sie ihre Kammer und überquert zielstrebig den Innenhof, um gleich Ulrich Neuhaus aufzusuchen.
    Der frühere Patrizier scheint in aufgeräumter Stimmung zu sein und lädt Mäu gönnerhaft ein, sich doch zu ihm an den Tisch zu gesellen. Nachdem er sie mit Wein und ausgesuchten Spezereien bewirtet hat, erkundigt er sich bei Mäu, ob sie sich nun schon etwas munterer fühlt.
    „Ja, es geht mir gut“, entgegnet Mäu kühl. „Doch krieg ich nicht mehr so ganz zusammen, was alles passiert ist. Doch Ihr könnt mir da bestimmt weiterhelfen, ich bin gespannt, was Ihr mir zu erzählen habt.“
    „Na, ja, was gibt’s da schon viel zu sagen: Drei volle Tage hast du durchgeschlafen, mein Kind! Deine liebe Tante muss wohl ganz außer sich gewesen sein, als sie ins Frauenhaus zurückkam und du hast da gelegen, als wärst du tot. Du warst auch durch nichts wieder wachzukriegen und da hat sie in ihrer Panik nach dem heilkundigen Henker geschickt. Meister Hans hat dir unter die Augenlider geschaut und dich wohl gründlich visitiert und hat gemeint, du würdest schon wieder wach werden, aber das könnte noch dauern. Deinen winzig kleinen Pupillen nach zu urteilen, hättest du reichlich Mohnsamensaft zu dir genommen. Dann ist es deiner Tante endlich gedämmert und sie hat gemerkt, dass du ihr ganzes Theriak-Fläschchen geleert hast. Maria, wie konntest du nur! Na und in der Zwischenzeit ist die gute Henkersgattin zu deinen Eltern gewatschelt und hat ihnen brühwarm erzählt, dass du todkrank im Frauenhaus liegen würdest. Deine armen Eltern waren sowieso schon ganz krank vor Sorge, weil sie nicht wussten wo du steckst. Die hatten auch hier schon nach dir gesucht. Also ist dein Herr Vater so schnell er konnte mit dem Eselskarren zum Frauenhaus gefahren und hat unser schlafendes Dornröschen aus dem Sündenpfuhl befreit. Anschließend hatten der Herr Abdecker und ich eine längere, ausführliche Unterredung und jetzt bist du hier – und das Schöne dabei ist: Du bleibst es auch!“, deklamiert Neuhaus aufgekratzt und kneift Mäu neckisch in die Wange.
    Mäu wehrt ihn ab wie ein lästiges Insekt.
    „Na toll! Ich soll jetzt also für immer hier auf dem Gutleuthof leben. War das Eure Idee oder die von meinem Alten?“, fragt Mäu, offensichtlich bemüht, ihre Fassung nicht zu verlieren.
    „Sei jetzt bitte nicht so schnippisch! Und überhaupt: Es ist doch so alles zu deinem Besten, Maria! Oder hättest du lieber deinen Vetter aus Idstein geheiratet, der dir doch so zuwider ist? Also, ich für meinen Teil habe mein Wort gehalten und es hat mich einen schönen Batzen Geld gekostet, deinen Vater von seinen törichten Heiratsplänen abzubringen. Er hat mit mir geschachert und gefeilscht wie bei einem Kuhhandel, aber letztendlich hat seine Geldgier obsiegt. Ganze 100 Gulden habe ich ihm gezahlt, damit er dich freigibt. Von diesem Geld kann er zeitlebens einen tüchtigen Gehilfen bezahlen, wenn er das überhaupt will. Damit alles seine Richtigkeit hat, habe ich mir von ihm einen Kontrakt unterzeichnen lassen, der besagt, dass du mir auf Lebenszeit hier auf dem Hofe als Magd zu dienen hast. Du musst also nicht mehr länger im

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