Die Siechenmagd
noch mal einen fetten Batzen. Dann biste doch ganz fein raus und kannst was beginnen da draußen. Also, hör jetzt auf mit dem Geplärre und reiß dich gefälligst zusammen! Es gibt bald Mittagessen und da müssen die Mägde früher da sein, um die Tische zu decken und alles zu richten. Jetzt ziehste dir einen von den Kitteln über, gehst zum Brunnen und wäschst dir die verheulte Visage. Mach hin, sonst kriegste schon gleich am Anfang einen Anschiss“, redet der Klingelmann auf die Weinende ein.
„Muss ich jetzt für immer hier bleiben?“, stammelt Mäu schockiert.
„Na klar, was hast du denn gedacht! Aber das soll dir der Neuhaus nachher selber erklären. Ich soll dir sagen, dass er dich nach dem Essen sprechen will. Du sollst in seine Wohnstatt kommen, da will er dann mit dir auf dein Willkomm anstoßen. Feine Sachen hat er sich von mir in seine Stube tragen lassen. Wirst schon sehen! – So, ich muss jetzt weiter, und du, krieg dich jetzt mal wieder ein!“, setzt der Schellenknecht ungewohnt gutmütig hinzu und verlässt Mäus Kammer.
Mäu begibt sich zu dem Strohsack, deckt sich zu und rollt sich zusammen. Ihr ist alles so egal, sie will nur ihre Ruhe haben.
Aus der Tiefe schläfriger Resignation und Kraftlosigkeit aber, bahnt sich, beharrlich und unaufhaltsam, ein Gedanke den Weg ins Bewusstsein, und Mäu ist mit einem Mal wieder hellwach:
Verdammt! Ich will hier nicht bleiben! Ich muss sehen, dass ich hier wieder rauskomme und zwar bald. Wie hat der Neuhaus sich das gedacht? Der kann mich doch hier nicht einfach festhalten, wie eine Gefangene!
Der Gedanke an Neuhaus macht sie immer wütender. Es ist eine verzweifelte Wut, die auch durchdrungen ist von einer guten Portion ureigenem Trotz.
Das kann der mit mir nicht machen! Der ist doch nicht der Herrgott! Was bildet sich der verdammte Siechenkrüppel denn ein! Irgendwas ist hier oberfaul. Hier bleib ich jedenfalls nicht, bis ich verschimmelt bin, Neuhaus, das schwör ich dir! –und dem Fuchs, diesem treulosen Mistkerl, wein ich auch keine Träne mehr nach!
Abrupt erhebt sie sich von ihrem Lager und schwankt zum Schemel. Während sie ihr besudeltes Kleid abstreift, um sich den blauen Hauskittel überzuziehen, muss sie sich bei aller Rage im Herzen eingestehen, dass sie immer noch sehr wacklig auf den Beinen ist. Als es ihr plötzlich schwindlig und schwarz vor den Augen wird, lässt sie sich wieder auf den Hocker zurücksinken. In dem kleinen Kämmerchen riecht es stark nach Kalk, außerdem ist die Luft so abgestanden, dass sie das Gefühl hat, zu ersticken. Hektisch öffnet sie die schmale Dachluke und inhaliert tief die frische Luft, während ihr der kalte Schweiß ausbricht.
Mach jetzt bloß nicht schlapp, Mensch!, ermahnt sie sich selbst, steht nach einiger Zeit auch wieder auf und verlässt schwankend die Kammer. Als sie das Gesindehaus verlässt, bemerkt sie, dass ihre Beine sie kaum zu tragen vermögen. Sie schleppt sich gerade noch bis zum Brunnen hin und schlürft durstig das kühle Wasser aus den Händen, bevor sie sich gründlich das Gesicht wäscht und sich Hals, Nacken und Arme benetzt. Ihr Magen gibt ein lautes Knurren von sich und sie spürt plötzlich ein unbändiges Hungergefühl.
So schnell es ihre geschwächte Konstitution zulässt, eilt sie zum Speisesaal, der am anderen Ende der Anlage liegt. Als sie ihn betritt, herrscht dort bereits ein geschäftiges Treiben. Fünf Mägde huschen hin und her, decken die Tische, schneiden das Brot, verteilen die Becher.
„Ach, da bist du ja endlich! Du bist doch die Maria, die Aufwärterin von Bruder Ulrich, die von heute an hier auf dem Hof bleiben soll. Die Frau Priorin hat mir schon von dir erzählt und mich beauftragt, dich in alles hier einzuweisen. Weil du noch neu bist, will ich jetzt noch nichts sagen, aber beim nächsten Mal solltest du gefälligst pünktlich sein! Ich bin Hedwig, die Magd von Schwester Susanna, unserer Priorin. Ich mach dich jetzt schnell mit den anderen Siechenmägden bekannt, dann müssen wir aber gleich weitermachen, denn wir haben bald die zwölfte Stunde und alles muss bereit sein zum Mittagsmahl“, richtet die dürre, dunkelhaarige Magd mit vorwurfsvollem Unterton das Wort an die Eintretende.
„Also, das hier ist Isolde, die Magd von Bruder Thomas, unserem Hospitalmeister. Sie ist seit fünfzehn Jahren auf dem Hof, fast so lange wie ich und weiß über alles hier sehr gut Bescheid. Wenn du mal eine Frage hast, wende dich an sie oder mich“, fährt
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