Die Siedler von Catan.
Gefahr.«
Seit sie nach Catan gekommen waren, lauschten die Leute Brigitta mit größerer Aufmerksamkeit als früher, vor allem mit mehr Hochachtung. In der alten Heimat hatte keiner von ihnen das Gefühl gehabt, einen Mittler zwischen sich und den Göttern zu brauchen, aber hier waren sie der Welt der Götter und Lieder näher gekommen, als sie sich je hätten träumen lassen, näher, als manchem von ihnen geheuer war, und mit einem Mal wussten sie Brigitta zu schätzen.
Trotzdem fragte Inga zaghaft: »Aber hatte Tanuri nicht Recht, Brigitta? Feuer ist eines der vier Elemente. Wie könnte ein Ort ohne Feuer vollkommen sein?«
Die alte Frau lächelte ihr zu – ein nahezu mildes Lächeln, das sie sonst kaum jemandem schenkte. Es war kein Geheimnis, dass sie eine Schwäche für Siwards jüngstes Kind hatte, dass sie gerne ihr Wissen an Inga weitergegeben hätte. Bislang hatte deren Vater das immer zu verhindern gewusst, denn er fürchtete sich vor allem Hexenwerk.
»Nun, in gewisser Weise hatte Tanuri Recht«, antwortete die alte Frau. »Leider war ihr Bild von der Welt nicht so rein wie deines, ihr Herz nicht so arglos. Tanuri war ein verzogenes, selbstsüchtiges Kind.«
Viele zogen erschrocken die Luft ein. »Aber Odin sagte, sie sei weiser als er«, protestierte Candamir.
Brigitta lachte gackernd. »Auch der Vater der Götter kann manchmal ein liebeskranker Narr sein, und dann ist seine Urteilskraft so getrübt wie die gewöhnlicher Männer. Tanuri war gescheit. Sie war sogar verschlagen. Aber nicht weise. Sie wollte mit Odin spielen. Und das heißt, sie wollte wie alle unverständigen Kinder mit dem Feuer spielen. Der feurige Berg dieser Insel ist viel mehr Tanuris Werk als Odins. Er steht mehr für sie als für ihn. Er ist, was sie ist, nicht er.«
»Also ist der Berg das einzig Schlechte an diesem Land?«, fragte Siward.
»Nein«, entgegnete sie entschieden. »Nichts ist schlecht in diesem Land. Nur das, was wir an schlechten Dingen in uns tragen und nun hierher gebracht haben. Das Land selbst ist ohne Makel. Aber der Berg ist gefährlich. Wie eben ein verzogenes, selbstsüchtiges Kind gefährlich sein kann.«
»Unberechenbar«, murmelte Inga.
»Hm, möglich.« Der eisgraue Kopf nickte zögernd. »Wobei zu bedenken ist, dass dies Odins Land ist. Sein Wille herrscht über alle Dinge hier, auch über jene, die Tanuris Wesenszüge tragen. Darum ist es von alles entscheidender Bedeutung, dass wir sein Wohlwollen nicht verlieren. Er hat uns hierher geführt. Uns hat er ausgewählt.« Plötzlich hob sie einen Finger und tippte Osmund damit leicht an die Brust. »Dich vor allem, denn du warst der Erste, der einen Fuß auf dieses Land setzen durfte. Wir alle schulden ihm etwas dafür, aber du in ganz besonderem Maße.«
»Sag mir, was es ist, und ich werde es ihm geben, wenn ich kann.«
»Oh, du kannst. Es ist nicht schwierig. Du musst ihn ehren. Ihr alle. Nicht halbherzig, wie ihr es früher zu tun pflegtet, zu Mittsommer oder zum Julfest oder wenn ihr gerade ein Anliegen hattet. Wirklich ehren, meine ich. Ihm huldigen. Und das beginnt damit, dass ihr hier keinen Gott duldet, der Odins Macht vernichten will.« Mit einem Mal ruhte ihr Blick auf der Königin der Kalten Inseln.
Siglind hob angriffslustig das Kinn. Im Schutz der Dunkelheit legte Asta ihr unauffällig die Hand auf den Arm, aber Siglind schüttelte sie ebenso unauffällig ab. »Was starrst du mich so an?«, fragte sie Brigitta.
»Ist es etwa nicht so, dass du das Buch des Sachsen und das verfluchte Kreuz seines Gottes da in deinem Beutel trägst?«
»Und wenn es so wäre? Was kümmert es dich, was ich in meinem Beutel trage?«
»Hast du nicht verstanden, was ich eben sagte? Odin ist es, dem wir Respekt und Verehrung schulden. Nicht diesem albernen Christengott.«
»Ich widerspreche dir nicht«, log Siglind. »Aber was können Runen auf Pergament einem mächtigen Gott wie Odin schon anhaben?«
»Nichts«, versetzte Brigitta. »Aber dir können sie etwas anhaben. Und dem jungen Hacon, Und wer weiß, wen sie als Nächstes befallen. Es sind gefährliche Runen, ich weiß es.«
»Das ist doch lächerlich.«
»Ach ja? Dann wirf sie ins Feuer.«
»Nein.« Der geballte königliche Hochmut, den sie so perfekt beherrschte, lag in dieser Absage, und sowohl Candamir als auch Osmund bewunderten Siglinds Schneid.
Tatsächlich fürchtete Siglind sich so sehr, dass sie plötzlich kalten Schweiß auf Brust und Rücken spürte. Seit jeher unternahm sie
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