Die Siedler von Catan.
war eine Regung, an die Osmund sich kaum noch erinnerte.
Er hob den Blick und stellte fest, dass alle am Tisch Versammelten ihn anstarrten. Und niemand hatte Mühe, seinen Ausdruck zu deuten.
Gunda schlug die Hände vors Gesicht und brach in Tränen aus. Osmund streifte sie mit einem flüchtigen, verächtlichen Blick; er verabscheute sie ebenso, wie Candamir es tat. Dann sah er Siglind in die Augen. Ehe er noch etwas zu sagen gefunden hatte, fragte die kleine Irmgardis: »Hast du meinen Vater und Onkel gefunden, Osmund?«
Er trat zu ihr, hob sie von der Bank und setzte sie auf seinen linken Arm. »Nein, Irmgardis. Es tut mir sehr Leid. Ich habe getan, was ich konnte, wie ich es dir versprochen hatte. Aber leider ohne Erfolg.«
Sie fing ebenso an zu weinen wie Gunda, aber anders als bei dieser war es kein abstoßendes, hysterisches Geheul, sondern die herzzerreißende Traurigkeit eines kleinen Mädchens, die mitanzusehen man kaum aushielt. Osmund tat es trotzdem. Vielleicht weil er glaubte, er habe Strafe für sein klägliches Versagen verdient.
Siglind erhob sich von ihrem Platz neben dem Hochsitz und legte Nils die Hand auf den gesenkten Kopf. Ihre Bewegungen waren eigentümlich langsam, so als sei sie erschöpft oder krank, aber ihre Miene war lediglich ernst, nichts weiter.
»Solvig, kümmere dich um Irmgardis«, bat sie die junge Amme. Dann wandte sie sich an den Gast. »Lass uns einen Moment hinausgehen, Osmund. Es ist ein so wundervoller Sommerabend.«
Er hatte die größte Achtung vor ihrer Haltung. Eine Königin in der Tat, auch wenn sie immer behauptete, das habe sie alles längst hinter sich gelassen.
Er ließ ihr höflich den Vortritt und folgte ihr dann in den Garten hinaus. Sie setzten sich nebeneinander auf die Bank an der Hauswand. Es wurde jetzt schnell dunkel; nur ein wenig Licht fiel aus dem Fenster zu ihrer Linken, aber die Düfte des Gartens waren in der Abendluft intensiver und betörender als bei Sonnenschein.
»Dieses Mal haben wir im Osten des Leeren Landes gesucht, sodass wir den Berg immer zu unserer Rechten hatten«, berichtete er. »Aber es war das Gleiche wie bei den letzten Malen:
Keinerlei Anzeichen von Mensch oder Vieh oder ihren Behausungen. Einfach gar nichts als immer nur dieselbe Ödnis. Ich könnte schwören, wir haben inzwischen jeden Zoll dieser Wüste abgesucht, aber ohne den geringsten Erfolg.«
Sie hörte, wie verzweifelt er war, streckte die Hand nach ihm aus und zog sie dann zurück. »Danke, Osmund. Ich kann mir wahrscheinlich nicht wirklich vorstellen, was du auf dich genommen hast, aber sei versichert, ich bin dir sehr dankbar. Ich … « Sie konnte mit einem Mal nicht weitersprechen.
Es war nicht so, dass sie ernsthaft mit einem anderen
Ausgang dieser neuerlichen Suche gerechnet hatte. Sie wusste, wie schlecht die Chancen standen. Trotzdem hatte sie gehofft, erkannte sie jetzt. Wider besseres Wissen. Und nun wusste sie nicht, wie sie ohne diese Hoffnung weitermachen sollte.
Im Gras zwischen den Obstbäumen zirpten die Grillen. Es war ein friedvoller, gleichförmiger Gesang, und sie lauschten ihm einen Moment andächtig. Schließlich sagte Siglind leise:
»Wir … hatten sechs Jahre. Das ist nicht einmal so wenig. Aber sie kommen mir vor wie ein einziger Augenblick, und ich frage mich, ob das wirklich alles gewesen sein soll.«
»Ja, ich erinnere mich, dass ich mich das Gleiche gefragt habe, nachdem Gisla gestorben war.« Er brach abrupt ab, so entsetzt über seine Gedankenlosigkeit, dass er hastig die Hand über den Mund legte, als könne er die unbedachten Worte damit zurücknehmen.
»Du glaubst also, er ist tot?«, fragte sie. Es klang nüchtern.
Er antwortete nicht sofort.
»Sag es mir, Osmund. Bitte.«
Er wandte ihr das Gesicht zu, sodass sie das Weiße seiner Augen leuchten sah. Sein Kopf war nur ein unscharfer Schattenriss. »Ja. Das ist es, was ich tief in meinem Innern glaube. Es sind inzwischen über sechs Wochen vergangen. Hacon würden sie vielleicht so lange leben lassen, weil sie ihn brauchen. Aber Candamir.«
Als das Verschwinden der beiden Brüder bemerkt worden war, hatten Osmund, Harald, Austin und einige andere die Spuren untersucht. Sie hatten Anzeichen eines Kampfes gefunden, Hiebwunden an Baumstämmen und Sträuchern, einen vom Blitz gespaltenen Baum, den offenbar jemand bewegt hatte, und eine leer geräumte Schmiede, auf deren festgestampftem Fußboden ein dicker Blutfleck prangte. Draußen hatten sie kein Blut entdeckt, doch
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