Die Silberdistel (German Edition)
glauben.« Ungläubig legte Asa die Stirn in Falten. Zu viele Geschichten machten dieser Tage ihreRunde, die wenigsten davon hatten auch nur ein Körnchen von Wahrheit in sich.
Beschwörend flüsterte Marga: »Asa, vielleicht sind die Tabener schon auf dem Heimweg?«
Asa zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? In diesen Tagen weiß man ja bald nicht mehr, was oben und unten ist, geschweige denn, wo wer was tut! Aber so erzähl doch! Was ist geschehen in Kirchheim?«
Irritiert schüttelte Marga den Kopf. »Kirchheim, ach ja …«
Seit Jergs Weggehen hatte sie keine Nacht mehr durchgeschlafen. Selbst Asas Schlaftrünke, die normalerweise eine kalbende Kuh zum Einschlafen brachten, versagten bei ihr. Sie zwang sich, ihre Gedanken zu ordnen.
»Die Bauern müssen wohl den Märzenmarkt dazu genutzt haben, noch mehr Männer für ihre Sache anzuheuern. An jeder Ecke sollen sie schließlich gestanden haben und Bundschuh -Fahnen geschwenkt haben. Als sie genügend Männer beeinander hatten, haben sie die Fruchtkästen geplündert. Und stell dir vor: Dann sind sie ins Kloster der Dominikanerinnen eingedrungen und haben dort auch mitgenommen, was nicht niet-und nagelfest war.«
»Von mir aus hätten sie die Schwarzgewandeten auch gleich mitnehmen können, um die wär’s nicht schade gewesen«, erwiderte Asa trocken. »Besser, sie plündern die Fruchtkästen der Städte, als daß sie ihre Verpflegung aus den Dörfern holen.«
Betroffen biß sich Marga auf die Lippen. »So schlimm es ist, du hast recht! Daran habe ich noch gar nicht gedacht! Du meine Güte, so viele Mäuler sattzukriegen – da bedarf es einer Menge Kraut und Rüben. Aber laß mich zu Ende erzählen: Danach sind sie ins Rathaus marschiert und wollten den Vogt herausholen, um ihm ordentlich die Meinung zu sagen. Aber der Lump hatte sich schon längst aus dem Staub gemacht. Sein Weib und seine Kinder hat er zurückgelassen, so eilig hatte er es mit der Flucht!«
»Das gibt’s doch nicht! Dann ist Kirchheim jetzt ohne Regierung?«
Marga zuckte mit den Schultern. »So sieht’s wohl aus. Taben hat doch auch keinen Lehnsherren mehr, seit wir den Brabant von der Burg gejagt haben.«
»Wenn sich eine so große Stadt wie Kirchheim den Bauern ergibt, dann bedeutet das etwas Gutes!« Gedankenvoll blickte Asa in die Ferne. »Aber was um alles in der Welt haben so viele Bauern eigentlich in Kirchheim gemacht? Ich dachte, Stuttgart wäre das Ziel gewesen?«
Nur wenige Meilen von Asa und Marga entfernt, auf der Kirchheimer Hahnweide, stellte Jerg sich die gleiche Frage. Enttäuscht über das langsame Vorankommen des Bauernheers und über die ausbleibenden Schlachten, hatte die Moral der Männer binnen kurzer Zeit erheblich nachgelassen. Viele waren einfach in ihre Dörfer zurückgelaufen. Statt auf die zögerlichen und oftmals verwirrenden Befehle ihrer Anführer zu warten, waren andere dazu übergegangen, auf eigene Faust zu plündern und zu brandschatzen. Streit, Neid und tägliche Reibereien waren die Folge. Sowohl Matern Feuerbacher als auch den anderen Hauptleuten war bewußt, daß etwas geschehen mußte, wollten sie ihr Heer zusammenhalten.
»Möchte mal wissen, wie’s nun weitergehen soll«, brummte Georg, der neben Jerg im Gras lag und die Wolken beobachtete. »Immer nur warten, warten, warten.«
»Ja, das möcht’ ich auch mal wissen. Ich habe das Gefühl, wir drehen uns im Kreis: Erst ging’s nach Stuttgart, wunderbar! Nur leider hatte sich der liebe Erzherzog nach Hohentübingen geflüchtet, also war unser Weg umsonst gewesen! Dann nach Bad Cannstatt. Von dort nach Esslingen. Dann nach Waiblingen und dann wieder nach Kirchheim. Bald haben wir jeden Weg im ganzen Land abgelaufen, ohne irgend etwas erreicht zu haben.«
»Ebersbach. Du hast die Plünderung von Schloß Filseck vergessen«, fügte Georg schläfrig hinzu, dann nickte er ein.
Jerg machte sich auf die Suche nach Dettler. Unentwegt mußte er dabei über schlafende Männer steigen oder einen Bogen um sitzende Gruppen machen. Gesungen und getanzt wurde schon lange nicht mehr, dafür um so heftiger gestritten und debattiert.
Dettler, Feuerbacher und Wunderer saßen ein wenig abseits unter einer großen Eiche, deren Stamm vom Blitzschlag in der Mitte fast durchtrennt worden war. Beim Näherkommen hörte er, daß auch in dieser Gruppe heftig palavert wurde. Er verdrehte die Augen und setzte sich dazu. »Was gibt’s Neues?«
»Gute Nachrichten, Jerg. Gute Nachrichten. Der Hans Ruß aus
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