Die Silberdistel (German Edition)
Hörensagen kannte, wandte sich gelangweilt ab. Ihmwar nicht klar, was Wunderer und die anderen an Gerbers Nachrichten so aufregend fanden. Wo immer dieses Herrenberg auch liegen mochte, es mußte sehr weit weg sein.
Theus Gerber, der seine Männer die letzten Tage unerbittlich zum Weitermarschieren angetrieben hatte, setzte sich erschöpft nieder. Er beeilte sich, die vielen Fragen, die auf ihn einprasselten, zu beantworten. Ja, es stimmte wirklich, daß Stuttgart sich sang-und klanglos ergeben hatte. Viele Kaufleute und Handwerker, aber auch Ratspersonen und Adlige waren zu den Aufständischen übergelaufen und hatten die Tore für sie geöffnet. Aber genutzt hatte es ihnen letzlich nicht viel, denn die Regierung traf ihre Entscheidungen nun eben aus der Ferne. Ja, Ferdinand befand sich entweder in Hohentübingen oder auf dem Hohenneuffen. Beide galten als gut befestigt und praktisch uneinnehmbar. Ja, auch er habe von den Greueltaten des Soldatenheers gehört, das tatsächlich gut zweitausend Mann stark war. Trotzdem denke er, daß die württembergischen Soldaten gegen sie, das Bauernheer, keine Aussicht auf Erfolg hatten. Auf wie viele Männer er das Bauernheer schätze? Nun, seiner Ansicht nach dürften es gut und gerne achttausend Köpfe umfassen, wenn man die Schwarzwälder, von denen bisher jede Spur fehlte, nicht mitzählte.
Feuerbacher kratzte sich nachdenklich am Kinn. Er hoffte inbrünstig, Theus Gerber möge mit seiner Einschätzung der Lage recht behalten. Im geheimen befürchtete er jedoch, daß dem nicht so war. Die herzöglichen Soldaten, angeführt vom Truchseß von Waldburg, mochten den Bauern vielleicht zahlenmäßig unterlegen sein. Dafür waren sie um ein Vielfaches besser für einen Kampf ausgerüstet und hatten die Erfahrung einiger Schlachten. Ihre Rüstungen waren in Solingen, Nürnberg oder Augsburg speziell für sie hergestellt worden. Und dann die Waffen selbst! Feuerbacher mochte gar nicht daran denken, was sie im Falle eines Zusammentreffens mit dem herzöglichen Heer alles erwarten würde.Daher war er, im Gegensatz zu den anderen, alles andere als darauf erpicht, dem Truchseß gegenüberzustehen. Theus Gerber schien zumindest diesbezüglich gleicher Ansicht zu sein. Warum sonst wäre er mit seinen Stuttgarter Bauern hierher geflüchtet?
Während er seinen dunklen Gedanken nachhing, wurde schon wieder heftig über die Pläne für den kommenden Tag gestritten. Jerg und ein paar andere waren dafür, in aller Frühe den Hohenneuffen zu besteigen. Sollte der Erzherzog dort nicht sein, konnten sie immer noch weiter nach Tübingen marschieren. Andere hielten dies für eine wahnwitzige Idee. So hoch, wie der Hohenneuffen gelegen war, konnte er nie und nimmer mit Tausenden von Männern erklommen werden!
Es wurde beratschlagt und gestritten, vorgeschlagen und wieder abgelehnt, bis es dunkel wurde. Als man sich endlich zum Schlafen legte, stand lediglich fest, daß man am nächsten Morgen das Lager abbrechen würde. Wohin es gehen sollte, wußte keiner so recht.
12.
Dem ganzen Hin und Her zum Trotz marschierte am nächsten Morgen niemand irgendwohin. Statt dessen kam Dettlers Feldordung das erste Mal zum Einsatz:
Eine kleine Gruppe von Bauern, angeführt von Hannes Rauner, hatte sich in der Nacht vom Lager entfernt, um auf eigene Faust Beute zu machen. Ganz in der Nähe von Dettingen, wußte Hannes zu berichten, lag das Hofgut eines alten Ritters, der durch Raubzüge in früheren Jahren ein reicher Mann geworden war. Begierig, der endlos erscheinenden Langeweile zu entrinnen, beschlossen die Burschen, demritterlichen Besitz einen Besuch abzustatten. Nach einem mit äußerster Rohheit durchgeführten Überfall prahlten die Plünderer lautstark damit, wie sie nicht nur Haus und Hof nach Schätzen durchkämmt, sondern sich auch an den Weibern des Anwesens vergangen hatten. Es dauerte nicht lange, bis ihre Schandtaten Feuerbacher zu Ohr kamen.
Nach kurzen Beratschlagung waren sich die Hauptleute ausnahmsweise einig: Die Schuldigen selbst schliefen noch ihren Rausch aus, als am nächsten Morgen in aller Frühe ein Scharfrichter bestimmt und ein Baum ausgesucht wurde. Danach wurde eine Abordnung von Bauern zu den Plünderern geschickt, um diese Feuerbacher, Wunderer und den anderen Hauptmännern vorzuführen. Jerg, der bei Wunderer und Feuerbacher mit seiner Bitte um Gnade auf taube Ohren gestoßen war, fiel der alte Spruch wieder ein, den sich die Leute in Hannes’ Heimatdorf hinter dessen
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