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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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habe er Marga noch nie in seinem Leben gesehen und schüttelte sie wie eine lästige Fliege von seinem Arm. So groß war seine Kraft, daß sie quer durch den Raum flog. Hilfesuchend blickte Marga zu Cornelius hinüber, der immer noch wie angewurzelt am Tisch saß. Auf einmal packte sie eine unbändige Wut. Warum hatte eigentlich sie das Gefühl, für Jergs Unglück allein verantwortlich zu sein? War Cornelius nicht genauso daran beteiligt? Seit Finds Geburt war nicht ein Tag vergangen, an dem sie sich sicher gefühlt hatte, jeder Blick eines Fremden auf den kleinen Find, jede noch so harmlose Bemerkung über sein Aussehen hatte sie in Angst und Schrecken versetzt.
    »Um Himmels willen, Cornelius! So tu doch was!« schleuderte sie Cornelius entgegen. »Willst du, daß er Lene umbringt?«
    Bevor der reglos Dasitzende etwas tun oder antworten konnte, ging die Tür auf. Pfarrer Weiland blickte von einem zum anderen und ahnte mit sicherem Instinkt, was sich abgespielt haben mußte. Ohne zu zögern faßte er jedoch einen Entschluß: Mit keiner Silbe würde er darauf eingehen. Jetzt war weder die Zeit noch der Ort, um persönliche Fehden auszutragen.
    »Jerg – Cornelius, ich bin gekommen, um euch zu holen. Draußen vor dem Dorf liegen Dutzende von Bauernhaufen von überall her. Sie fordern uns Tabener auf, mitzuziehen in Richtung Stuttgart. Die Zeit sei gekommen, den Habsburger von seinem Thron zu stürzen, sagen sie.«
    Hastig, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, eilten die Männer durch die Gassen. Schon als sie an Asas Hütte vorbeikamen, war es zu hören: Das einzigartige, brummende Geräusch von Menschenmengen, die auf etwas warten.
    Wohin die Tabener auch blickten, überall wimmelte es nur so von Menschen, die Straße, die nach Kirchheim führte, war nahezu überfüllt. Auch auf den Wiesen links und rechts davon hatten sich Bauern versammelt, allesamt mit Speer und Spieß und anderem Gerät bewaffnet. Es wurde gesungen, getrunken und lautstark miteinander geredet. An vielen Ecken hatten sich Prediger auf mitgebrachte Kisten gestellt und verkündeten das Wort Gottes, wie es wohl in keiner Kirche zu hören war. Breitestes Schwäbisch von der oberen Alb vermischte sich mit den weicheren Tönen der Bodenseeschwaben und dem kehligen Klang der Schwarzwälder. Jerg lachte. Durch eine unbeschreibliche Anstrengung gelang es ihm, das, was geschehen war, zu verdrängen, so daß nur noch das existierte, was er mit seinen eigenen Augen sehen konnte. Gegen diese Versammlung hier war das Treffen in Untertürkheim vor vielen Jahren ein Schwätzchen in kleinster Runde gewesen! Dettler gab Jerg einen Stoß in die Rippen. »Es sieht so aus, als ob Müntzers Paradies viele Anhänger findet, was?«
    Jerg nickte stumm. Was hatte es zu bedeuten, daß just in dem Moment, in dem für ihn die Welt unterging, sich eine neue Welt auftat? War dies ein Zeichen Gottes? Welche Rolle sollte er dabei spielen?
    »Heh, wie lange wollt ihr noch hier stehen und Däumchen drehen? Es wird bald dunkel, und bis zur Stelle nach Kirchheim sind’s noch gute zwei Meilen.« Ein drahtiger Bursche, wenig älter als Jerg selbst, blickte ungeduldig von einem zum anderen.
    Jerg wollte gerade etwas Passendes entgegnen, als ein anderer beschwichtigend die Hand hob. »Mein Name ist Matern Feuerbacher. Bist du der Anführer hier im Ort?«
    Jerg schaute sich kurz um, und als keiner der anderen Männer etwas erwiderte, nickte er. »Jerg Braun ist mein Name, und wenn ihr es so wollt, bin ich der Anführer der Tabener Bauern.«
    »Gut, Jerg aus Taben. Dann fragen wir dich: Seid ihr Tabener bereit, dem heiligen, christlichen Haufen auf seinem Marsch nach Stuttgart zu folgen? Wollt ihr mit uns die Waffen erheben gegen diejenigen, die dem Joch der Armut und Pein schon viel zu lange entkommen sind? Die sich nicht scheuen, mit Soldaten gegen uns vorzugehen?«
    Er meint das Heer der tausend Soldaten, schoß es Jerg durch den Kopf.
    »Um Himmels willen – ja! Natürlich gehen die Tabener mit! Glaubt ihr etwa, wir seien weniger mutig als der Rest des Landes? So, wie es hier aussieht, gibt es doch nirgendwo ein Dorf, das nicht dabei ist bei eurem heiligen, christlichen Haufen, oder?«
    Der Mann, der neben Feuerbacher stand, lachte auf. »Die feinen Herren in Stuttgart werden schöne Augen machen, wenn sie merken, wieviel Mut das feige Bauernpack auf einmal hat, wenn’s um die heilige Sache geht!« Dann streckte er Jerg eine kräftige Pranke entgegen. »Hans Wunderer ist mein

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