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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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aus, wie der Redner den Soldaten einen Wink gab, worauf diese ihre Vorderlader über die Schulter warfen und in Bereitschaft gingen.
    »… Es sei außerdem verkündet, daß vom 15. Tage des Monats April anno 1514 an neue Gewichte in Verwendung kommen, deren Maß ein Zehntel weniger betragen werde.« Hier warf der Gesandte einen Blick in die Runde, um die Reaktion seiner Worte zu testen. Hatten die Leute das verstanden? Ehrlich gesagt hatte selbst er die Bulle ein zweites Mal lesen müssen, ehe er hinter den Sinn derselben gekommen war. Die Zuhörer warfen sich gegenseitig verwirrte Blicke zu. Neue Maße, ein Zehntel weniger? Die tiefere Bedeutung dieser neuen Verordnung sollten sie im nächsten Satz des Sprechers verstehen.
    »…. wobei der neue Erlaß vorsieht, die bisherigen Preise für Wein, Fleisch und Getreide gleich zu halten, auf daß der Mehrerlös der herzöglichen Kasse zugute komme und direkt dorthin …«
    Seine weiteren Worte gingen im Aufruhr der Menschen unter. Zu Bantelhans’ Erstaunen setzten sich nicht nur die Bauern, sondern auch die Kirchheimer Bürger und Kaufleute lautstark zur Wehr. Bisher waren diese immer recht glimpflich davongekommen, die Hauptlast der Abgaben hatte in der Vergangenheit die Landbevölkerung zu tragen gehabt. Doch das schien sich nun zu ändern …
    In Bantelhans’ Kopf brodelte es. Wie konnte der Geheimbund, dessen Hauptmann er war, auf die neue Situation reagieren? Welchen Vorteil durften sie sich von der veränderten Lage erhoffen? Seine Menschenkenntnis ließ ihn vermuten, daß durch die neuen Steuern der Boden für einen Aufruhr reif wurde. Wenn selbst schon die Bürger …
    Jäh wurden seine Überlegungen unterbrochen. Vorn am Rednerpult schien sich was zu tun. Er hörte Schreie, dann die Rufe der Soldaten, doch sehen konnte er bei dem besten Willen nichts! Abermals verfluchte er seine schlechte Position so weit hinten auf dem Platz.
    Dafür konnte Jerg mehr sehen, als ihm lieb war. Der Zufall hatte es gewollt, daß er direkt neben der Plattform von einem alten Bekannten angesprochen und aufgehalten worden war. Sonst wäre er schon längst wieder auf dem Weg, denn er wollte doch schließlich mit Cornelius gemeinsam Werkzeug aussuchen und kaufen. Als sich dann die Soldaten um den Redner formierten, ahnte Jerg, daß nichts Gutes folgen konnte. Und seine Ahnung wurde in der Tat noch vom Schlimmsten übertroffen: Neue Steuern! Obwohl bei ihnen zu Hause Cornelius das Finanzielle regelte, sofern es überhaupt etwas zu regeln gab, wußte Jerg natürlich, daß es auch um ihren kleinen Haushalt nicht gut bestellt war. Dabei konnte er sich auch noch an bessere Zeiten erinnern. Als seine Eltern nochlebten, vor der großen Pestplage, war es ihnen weitaus besser gegangen. Damals warf ihr kleiner Hof noch genügend ab, so daß man sogar einen Notgroschen für schlechte Zeiten zur Seite legen konnte. Doch dann kamen immer mehr Abgaben. Jeden Monat wurden neue Gesetze erlassen, die den Bauern im ganzen Land das Leben schwer machten. Bald konnte keiner mehr heiraten, ein Kind in die Welt setzen oder sterben, ohne daß er oder seine Familie dafür zahlen mußte: Brautgeld, Taufgeld, Sterbegeld – neue Namen waren immer schnell gefunden. Doch jede Abgabe lief nur auf ein Ziel hinaus, und das hieß, den Bauern die letzten Heller aus der Tasche zu holen. Und als ob die Landbevölkerung nicht schon genug geplagt worden wäre, war schließlich noch der schwarze Tod hinzugekommen: die Pest. Noch heute hatte Jerg den Geruch der vielen Wacholderfeuer in der Nase. In fast jedem Tabener Haushalt waren damals Menschen dem schwarzen Tod zum Opfer gefallen. In fast jedem Haus war mit Wacholder geräuchert worden.
    ›Und diese Blutsauger hier sind auch nicht besser als die Pest! Nur ausräuchern kann man sie nicht!‹ Jerg spürte wieder diese unbändige Wut in sich aufsteigen, die ihn jedesmal überfiel, wenn er über die Ungerechtigkeiten nachdachte. Das konnte einfach nicht von Gott gewollt sein!
    Der Redner war gerade dabei, seine Papierrolle fein säuberlich wieder aufzurollen, als sich die Menschenmenge plötzlich zu teilen begann. Jerg bekam einen groben Stoß in die Rippen. Einer der Zuhörer hielt in der rechten Hand sein Messer gezückt und bahnte sich lauthals schreiend seinen Weg durch die Menschen, die bei diesem Anblick sofort zur Seite sprangen. Er stürmte auf den Redner zu. »Elende Halsabschneider! Neue Steuern wollt ihr erlassen? Nun, ich zeig’ euch, was ich von euren

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