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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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»Mein Handschuh ist heute im Buhurt zerrissen«, flüsterte sie, »Nehmt dies als Ersatz.«
    Seine Finger schlossen sich um die kühle Seide und, er wagte es, um ihre Hand. Ihr nackter weißer Arm ließ ihn jegliche Selbstbeherrschung vergessen. Seine Lippen pressten sich auf die Innenseite ihres Handgelenks, wanderten auf schimmernder, weicher Haut hoch zur Ellbeuge. Und dann, er konnte es kaum fassen, war sie neben ihm auf den Knien, er spürte ihre Umarmung, küsste sie wie im Rausch. Sie erwiderte den Kuss mit einer Leidenschaft, die ihn überraschte und ermutigte. Er ließ seine Hände über ihren Rücken wandern, vorbei an der schmal eingeschnürten Taille, hinab bis zu den Schenkeln. Sein Kuss wurde fordernder, härter. Da plötzlich stieß sie ihn weg, sprang auf, wich vor ihm zurück. »Gott steh mir bei«, stieß sie hervor, »das dürfen wir nicht. Liebster, ich kann nicht. Der König würde uns beide umbringen. Geh. Geh, ich bitte dich.«
    Ezzo stand schwer atmend auf. Einen Augenblick kämpfte er mit sich, doch ihr Wille war ihm Gebot. Er nahm ihre Hände in seine, küsste sie voller Inbrunst. Dann verließ er wortlos die Kapelle, unfassbar glücklich und zum Sterben unglücklich zugleich.

    Kaum war er fort, trat Burggraf Friedrich von Nürnberg aus einer kleinen Seitenpforte der Kapelle, laut und demonstrativ langsam Beifall klatschend.
    »Meiner Treu«, sagte er in bewunderndem Tonfall, »das war die beste Vorstellung, die Ihr je gegeben habt, meine Liebe.«
    Sie ordnete ihre Röcke. »Ihr seid doch wohl nicht eifersüchtig, Herr Friedrich?«
    Er zuckte mit den Schultern und lächelte. »Ich lasse mir nur nicht gerne etwas wegnehmen.«
    »Ei, jetzt hört Ihr Euch an wie mein königlicher Gatte!« Sie rückte ihr verrutschtes Häubchen zurecht.
    »Was wollt Ihr nur mit dem Grünschnabel?«, fragte der Burggraf amüsiert. »Zugegeben, er ist ein ganz hübscher Junge, und er kann kämpfen, aber … «
    » … aber ein richtiger Mann, so wie Ihr, stünde mir besser an, meint Ihr?«, beendete sie seinen Satz mit einem Augenzwinkern.
    »So ist es, Majestät!« Er zog eine traurige Grimasse. »Ich will doch hoffen, Ihr habt nicht vor, mich durch ihn zu ersetzen?«
    Sie lachte glockenhell. Dann trat sie ganz nah an ihn heran, löste mit aufreizender Langsamkeit die Bänder ihres zweiten Ärmels und ließ ihn zu Boden gleiten. »Seht«, flüsterte sie ihm ins Ohr, »dieser Arm gehört Euch, und dazu, was Ihr sonst noch wollt … «
    Er zog sie in den Seitenraum. Und während das hohe Paar ungestört und mit Lust und Leidenschaft die Kapelle entweihte, schlief Ezzo selig ein, als Ritter und Liebender, den Ärmel der Königin unter seinem Kopfkissen.

München, Dezember 1412
    Die gelbe Galle führt man ab mit Wolfsmilch, Lärchenschwamm, Aloe, Bertram und Saft vom Sonnenwerbel. Der Schleim geht ab mit getrockneter Springwolfsmilch, Seidelbast, Koloquinte und weißem Germer. Schwarze Galle wird purgiert mit Quendelseide, Engelsüß und schwarzer Nießwurz.« Sara wanderte in der Wohnstube hin und her und murmelte dabei die Behandlungsmethoden nach der Schule des legendären antiken Arztes Galen vor sich hin. Auf dem Tisch lag ein aufgeschlagenes Buch, in dem sie immer wieder nachschaute, bevor sie eine weitere Passage auswendig lernte. Seit Monaten ging sie heimlich an Jehudas Bücher, sobald er das Haus verlassen hatte. Sie nutzte jede Gelegenheit, und Jettl half ihr, indem sie immer wieder aus dem Küchenfenster spähte und rechtzeitig Bescheid gab, bevor ihr Herr zurückkehrte. Dann steckte Sara die kostbaren Bücher wieder in die Truhe zurück, damit ihr Onkel nichts merkte.
    Es war ein grauer, regnerischer Wintertag, und Jehuda hatte gleich am Morgen das Haus verlassen müssen. Ein schwer mit Baumstämmen beladenes Fuhrwerk war vor dem Isartor auf schlüpfrigem Schlammboden verunglückt, die gesamte Ladung war umgekippt, und es hatte mehrere Verletzte gegeben. Sara nutzte die gute Gelegenheit zum Lernen, und Jettl kochte derweil Schwefelbrocken in Wasser auf, um über den ätzenden Dämpfen Schleier und Tücher zu bleichen. »Adonai«, murmelte sie plötzlich und rannte zur Tür.
    Draußen in der Gasse war ein kleiner Menschenauflauf entstanden, der sich aufs Doktorhaus zubewegte. Die Leute riefen aufgeregt durcheinander, sie drängten sich um vier kräftige Kerle in der Mitte, die einen Mann trugen. Es war ein junger Bursche, soweit man das erkennen konnte, und überall an ihm war Blut, es spritzte und

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