Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
zu Tode gekommen oder hatten sich Verletzungen zugezogen, die sie ihr Leben lang zu Krüppeln gemacht hatten. Der Kampf bedurfte höchster Konzentration und großer Geschicklichkeit.
Als Letztes zog Ezzo die schweren Handschuhe an, setzte den Helm bei geöffnetem Visier auf und ließ ihn vom Knappen hinten und vorne am Harnisch festmachen. Endlich stieg er mit Hilfe einer kleinen hölzernen Treppe aufs Pferd. Zusammen mit den anderen Kämpfern ritt er im Schein der Mittagssonne aus dem Burghof hinaus.
Der Turnieranger wimmelte vor Menschen und Pferden. Ein Geviert war abgesteckt und mit Schranken eingefriedet worden, hier würde der Kampf stattfinden. In der Mitte war der Platz durch zwei gespannte Seile getrennt. Den ganzen Vormittag über hatten Helfer den gestampften Erdboden mit unzähligen Eimern Wasser benetzt – das war wichtig, denn sonst entstanden im Kampfgetümmel die gefürchteten Staubwolken. Mit Schrecken erinnerte man sich noch nach vielen Jahrzehnten an den Tod Lantfrieds von Landsberg im Staub von Straßburg oder an das Turnier von Neuß, bei dem mehr als zehn Ritter jämmerlich erstickt waren.
Entlang der längeren Südschranke hatten Zimmerleute in tagelanger Arbeit eine solide Tribüne aufgebaut – hoffentlich solide genug, dass sie die Hunderten von adeligen Zuschauern auch tragen konnte! Oft genug war es in der Vergangenheit zu Einstürzen gekommen, die Tote und Verletzte gefordert hatten. Aber das Gerüst sah stabil aus, es wankte nicht, obwohl es bereits voll besetzt war.
Ezzos Blick wanderte über die bunte Menge. Noch nie hatte er so viele Menschen auf so engem Raum gesehen. Der alte Spruch stimmt schon, dachte er, ein Turnier hat mehr Zulauf als zehn Prediger. Diese Tatsache entbehrte nicht einer gewissen Ironie, waren doch Turniere seit jeher von der Kirche verboten – was allerdings niemanden groß störte und den Kampfspielen keinen Abbruch tat. Langsam ritt Ezzo in der Formation der Burggräflichen an der Tribüne vorbei zum Eingang des Gevierts. In der Mitte des Gerüstes schützte ein rotsamtener Baldachin mit goldenen Posamenten die Zuschauer vor der Mittagssonne. Dort saß die Königin, umrahmt von adeligen Damen und Edelleuten. König Sigismund selbst war in wichtiger Angelegenheit abwesend; überhaupt hielt er sich wenig zu Buda auf – sein hohes Amt erforderte es, dass er ständig im Land umherritt. Infolge seiner Abwesenheit war Barbara von Cilli die Schirmherrin des Turniers, und ihr Vater leitete die Kämpfe als Turnierkönig.
Ezzo drückte stolz den Rücken durch und suchte den Blick seiner Angebeteten, die in goldglänzendem Kleid hoch über ihm thronte. Er hatte ihren veilchenfarbenen Handschuh an seinem Schild befestigt und hoffte, sie würde es bemerken. Aber Barbara war in ein Gespräch vertieft, und so ritt Ezzo ein wenig enttäuscht vorbei, hinein in die Schranken. Er stellte sich zur Rechten des Burggrafen auf und hob wie alle anderen grüßend das Schwert. Beifall brandete auf. Der Graf von Cilli als Turnierkönig stieg auf ein kleines Podest und deklamierte, wie es der Brauch war, mit lauter Stimme die Kampfregeln. Ein Trompetenstoß ertönte, und dann wurden die Seile durchgehauen, die beide Kampfgruppen trennten. Achtzig bewaffnete Reiter galoppierten mit wilder Entschlossenheit aufeinander zu.
Der Kampf wogte hin und her. Es war ein Spektakel, wie es Kriegsleute liebten: Schwerter klirrten, Funken stoben, wenn Metall auf Metall traf. Die blankpolierten Panzerungen der Ritter blitzten im Sonnenlicht und blendeten die Augen der Zuschauer. Die Pferde schnaubten vor Anstrengung, und manch wildes Wiehern zeugte davon, dass eines der kostbarsten Tiere verletzt worden war. Bald herrschte ein wildes Durcheinander aus Pferdeleibern und Kämpfern, in dem nur die Klügsten noch den Überblick behielten. Schreie, ob aus Wut oder Schmerz, zerrissen die staubige Luft. Blut strömte und färbte die Rüstungen dunkelrot. Solch ein Buhurt war kein Spiel, man kämpfte mit scharfen Waffen, und wenn es auch nicht um den Sieg gegen einen gefährlichen Feind ging, so ging es doch um die Ehre. Das Streiten geriet mit der Zeit immer verbissener. Es war schon oft vorgekommen, dass aus einem solchen Schaugefecht bitterer Ernst geworden war, deshalb achtete der Grießwart als Schiedsrichter streng auf Disziplin. Irgendwann hatte die Gruppe um den Burggrafen, die in Rot focht, sich an einem Gegner festgebissen: dem böhmischen Ritter Cenek von Leipa und seinen Kämpfern, ganz in
Weitere Kostenlose Bücher