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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Hausfrauen fleihten Schleier und Tücher, Mägde schöpften mit dickbauchigen Krügen fließendes Wasser für die Osterweihbräuche, zwei Handwerksburschen wuschen ihre Füße. Unterhalb des schmalen Holzstegs ließen ein paar Buben Rindenschiffchen schwimmen, die Mädchen hockten dabei und schaukelten ihre Lumpenpüppchen in den Armen. Ein Scherenschleifer hatte seinen Schleifstein auf dem Platz aufgestellt und pries seine Dienste an. Vom Kirchturm schlug es die fünfte Stunde. Der Mann ging langsam hinüber und ließ für einen kleinen Obolus sein Messer schärfen.

    Martin war schmal und dünn für seine acht Jahre und auch nicht besonders gescheit, ersteres lag daran, dass er das jüngste Kind von fünf Geschwistern war und sein Vater nur ein einfacher, »brotender« Nadlersgeselle, der zwar ein paar Lebensmittel als Lohn, aber kaum Geld heimbrachte. Die Mutter arbeitete als Waschmagd bei einigen wohlhabenden Bürgern, und seine älteren Brüder klauten, was sie kriegen konnten, nur so ließen sich die vielen Mäuler wenigstens an ein paar Tagen in der Woche stopfen. Martin durfte bei den Brüdern nicht mit, weil er langsam und schwer von Begriff war, er hätte sich von jedem halbwegs pfiffigen Stadtknecht einfangen lassen. Also blieb er fast den ganzen Tag allein und spielte, bis am Abend die Familie wieder in der zugigen Dachstube zusammenkam, die ihnen der alte Tobler-Michel im Kotgässchen für ein paar Pfennige überließ.
    Martins Magen knurrte. Seit ein paar gemusten Hirsekörnern am Morgen hatte er nichts gegessen. Während er so darüber nachdachte, wie gut wohl ein Stücklein Brot mit Hartkäse schmecken würde, wie es der alte Scherenschleifer da drüben grade aß, schwamm ihm sein Schiffchen davon, den Bach hinab. Er sprang auf und rannte hinterher, versuchte es zu erhaschen, aber das Wasser floss zu schnell, und unten beim Stadel vom Bernauer wurde der Lauf breiter und das Schiffchen schwamm in der Mitte, wo er es nicht mehr erwischen konnte. Enttäuscht schob er die Unterlippe vor, blieb stehen und sah traurig seinem Rindenschifflein nach, wie es zwischen den Kieselsteinen bachabwärts hüpfte.
    »Na, so ein Pech«, sagte jemand hinter ihm. »Das schwimmt jetzt ins große Meer.«
    Martin sah hoch zu dem Fremden, der ihn freundlich anlächelte. »Weg ist’s«, jammerte er. »Wo ich’s so schön gebastelt hab mit meinem Bruder.«
    »Du bist doch der Bub vom Schusters Fritz aus der Kotgasse, hm?«, fragte der Mann.
    Martin freute sich. Der Mann kannte ihn! »Ja«, antwortete er, »ich bin der Martel, und ich bin schon acht.«
    Der Mann hockte sich neben ihn ins Gras, zog eine goldgelb gebackene Honigpastete aus der Tasche und biss herzhaft hinein. Martin lief das Wasser im Mund zusammen, die Augen fielen ihm bald aus dem Kopf. »Magst auch was?«, fragte der Mann. Er hatte ein Bärtchen am Kinn, das lustig wippte, wenn er kaute. »Ja«, sagte Martin hoffnungsvoll. Da brach der Mann seine Pastete entzwei und hielt ihm die Hälfte davon hin. Martin ließ sich neben seinem neuen Freund nieder und stopfte sich die klebrige Süßigkeit gierig in den Mund.
    »Musst dir halt ein neues Schifflein basteln«, meinte der Mann irgendwann, nachdem sie fertig gegessen und anschließend gemeinsam eine ganze Menge Steinchen ins Wasser geworfen hatten. »Aber nicht so ein kleines. Ein großes, mit schönem Papier, und einem Holzspreißel als Mast, und vielleicht einem Stofffetzen als Segel.«
    Martin überlegte. »Kann ich nicht, mit Papier und so Sachen. Ist mir zu schwer.«
    »Ei, soll ich’s dir wohl zeigen?«
    Martin überlegte wieder. »Ja.« Er sah den Mann erwartungsvoll an. Der stand jetzt auf. »Drüben hinter dem alten Schuppen vom Bernauer hab ich vorhin ein paar alte Lumpen gesehen, die taugen für ein Segel. Ein Holzstöcklein finden wir da auch. Und Papier hab ich.« Er zog ein beschriebenes Blatt, wohl einen Brief, aus seinem Wams.
    Martin lachte übers ganze Gesicht. Dann fiel ihm etwas ein. »Aber ich muss bald heim«, meinte er.
    Der Mann lächelte. »Ach, das geht schnell. Und dann bring ich dich heim zu deinen Eltern, die kenn ich gut, die werden sich freuen. Komm.«
    Die Finger des Mannes legten sich fest um Martins schmutzige Kinderhand, und der Junge sah vertrauensvoll zu ihm auf. Dann ging er brav mit.

    Abends liefen Martins vier Brüder durch die Gassen, fragten überall nach dem Buben. Sie schauten an seinen Lieblingsplätzen nach, krochen in sämtliche Ecken und Löcher, vergeblich. Der

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