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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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anzutasten. Er will keinen Ärger mit Böhmen. Aber du – mach dich auf den Weg, bevor er es sich anders überlegt.«
    Er griff nach seinem Wams, das am Boden lag. Es war nicht der Augenblick für einen Abschiedskuss. »Leb wohl«, sagte er leise und ging zur Tür. Ihm war zum Heulen.
    »Was ist mit deinem Schwur?«, rief sie ihm hinterher.
    Er drehte sich um, breitete die Arme aus. »Ich bin dein Ritter, mein Leben, meine Ehre und meine Treue gehören dir.«
    »Lass mich wissen, wo du dich aufhältst«, bat sie.
    Ezzo nickte. »Wenn du mich brauchst, schick nach mir.«
    »Drei Jahre?«
    »Drei Jahre.«
    Dann war er zur Tür hinaus.
    Noch bevor die Gesellschaft sich zur Frühsuppe im Refektorium versammelte, ließ sich Ezzo vom Fährmann des Klosters zum westlichen Ufer übersetzen. Mit versteinertem Gesicht und Verzweiflung im Herzen bestieg er im Schilfgrund seinen Schimmel und galoppierte nach Budapest, als sei der Teufel hinter ihm her. Auf der Burg holte er sich Schwert, Schild und Brustpanzer, alles andere würde ihm nur hinderlich sein. Dann verließ er die königliche Stadt durch dasselbe Tor, durch das er sie vor mehr als fünf Jahren betreten hatte. Nichts war ihm geblieben außer seiner Ritterwürde. Und dem Schwur, der in den nächsten Jahren sein Leben bestimmen sollte.

Irgendwo zwischen Brügge und Lüttich,
zur selben Zeit
    Es war wie der Schritt in ein neues Leben: Seit Ciaran den Boden des Festlands betreten hatte, war sämtliche Anspannung von ihm abgefallen. Alles lag hinter ihm: Seine Jahre im Kloster, seine Zeit bei den Lollarden, die Angst vor den Häschern des Erzbischofs. Er musste sich nicht mehr zwischen zwei Glaubensrichtungen entscheiden, musste sich nicht mehr verstecken. Nur diese letzte Aufgabe hatte er noch hinter sich zu bringen: Nach Böhmen zu reisen und Wyclifs Vermächtnis zu übergeben. Danach war er frei.
    Das Mönchshabit kam ihm nur noch vor wie eine groteske Verkleidung, als sie von Brügge aus zu Fuß, wie es echte Mönche tun würden, den Weg nach Südosten einschlugen. Niemand folgte ihnen, zumindest konnten sie niemanden ausmachen. Es schien, als seien sie entkommen und in Sicherheit. Wenn alles gut ging, würden sie spätestens im Frühling Prag erreicht haben.
    Die Menschen in den Dörfern, durch die sie kamen, erwiesen sich als gutmütig und gastfreundlich. Ciaran war ein bisschen enttäuscht, dass niemand sein Deutsch verstand, aber dann begriff er, dass er sich noch zu weit westlich befand. Dennoch kamen sie gut zurecht. Sie machten Quartier in Wirtshäusern oder bei Bauern, die ihnen gern für ein paar Münzen einen Schlafplatz richteten. Und Ciaran lernte schnell, sich auch ganz ohne Worte mit den rosigen blonden Mädchen zu verständigen, die es hier überall gab. Anfangs war es ihm gar nicht bewusst, aber selbst in seiner Kutte und mit Tonsur strahlte er etwas aus, das die Frauen mochten. Viele schauten ihm verstohlen nach, fühlten sich angezogen von seinen meerblauen Augen und der anmutigen Art, wie er sich bewegte. Und sobald er abends seine geliebte Clairseach auspackte und zu spielen begann, lagen sie ihm endgültig zu Füßen. Will und Connla amüsierten sich königlich, stachelten ihn auf und drängten ihn so lange, bis er schließlich eines Abends alle mönchische Zurückhaltung ablegte und mit einer drallen Milchmagd im Stroh verschwand.
    Von dieser Nacht an begann Ciaran, die Frauen zu lieben. Es war ganz anders gewesen als damals mit Brid. Ohne schlechtes Gewissen, ohne Heimlichkeit. Zum ersten Mal war er mit einem Mädchen »ein Fleisch geworden«, wie sie es im Kloster augedrückt hatten, hatte seinen Samen nicht auf die Erde vergossen. Es war das Wunderbarste, was er je erlebt hatte, so wunderbar, dass er nie wieder darauf verzichten wollte. Wie konnte es sein, dass die Kirche die Lust als etwas Schlechtes hinstellte? War der Mensch nicht dafür gemacht? Oh, Ciaran hatte so viel nachzuholen! Selbst im hässlichsten Ding sah er noch eine Schönheit, entdeckte an jedem Mädchen etwas Neues, Faszinierendes, genoss das prickelnde Spiel zwischen Mann und Frau. Jeder seiner kurzen Liebschaften gab er das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein, und sie blieben glücklich und traurig zugleich zurück, wenn er am nächsten Tag weiterzog. »Kannst du mir vielleicht mal sagen, wie du das machst?«, fragte Will nach ein paar Wochen neidisch. Und Ciaran antwortete grinsend: »Das lernt man im Kloster.« Worauf Connla trocken bemerkte: »Du siehst erschöpft

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