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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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der zerquetschte Käselaib, den er seinen Verwandten in der Stadt hatte mitbringen wollen.
    Ciaran drückte auch ihm die Augen zu, dann erbrach er sich würgend in einen Busch. Erst eine ganze Weile später war er in der Lage, wieder klar zu denken. Einer der Lollardenbrüder musste unter der Folter geredet haben – er hoffte inständig, dass es nicht Oldcastle gewesen war, sondern einer derjenigen, die ihnen geholfen hatten, die Mönchskutten zu besorgen. Deshalb waren ihnen die Männer Arundels gefolgt, hatten sie überholt und ihnen hier aufgelauert. Will, Connla und der Bauer waren am Morgen in ihr Verderben gelaufen.
    Ciaran rappelte sich auf und sah sich um. Die Mörder hatten nicht nur die drei Männer ausgezogen und durchsucht, sondern auch alles Gepäck, das der Esel getragen hatte. Decken und Rucksäcke waren zerschlitzt, die Proviantpakete aufgerissen. Gründliche Arbeit, ihr Henkersknechte, dachte Ciaran. Etwas abseits im Gras fand er endlich, was er gesucht hatte: Seine Harfe, in der Mitte zerbrochen und achtlos weggeworfen. Daneben lag, mit langen Schnitten aufgeschlitzt, das lederne Futteral. Ciaran hob die Clairseach hoch. Er zog sein Messer, setzte die Spitze an einer bestimmten Stelle an und stemmte dadurch einen Teil der Einlegearbeit ab. Dann griff er hinein. Es war noch da! Sie hatten es nicht gefunden! Es war ein trauriger Triumph.
    Ciaran ließ sich mit dem Instrument ins Gras sinken. Was sollte er nun tun? Er konnte nicht einmal seine Freunde begraben, ohne Schaufel oder anderes Werkzeug. Vermutlich hätte er ohnehin keine Zeit dazu – er befürchtete, dass die Mörder früher oder später zur Taverne zurückkehren und dort nach dem Manuskript suchen würden. Und dann würden sie erfahren, dass sie mit dem armen Bauern einen Unschuldigen getötet hatten, dass einer der Mönche noch lebte. Er musste schnell hier weg. Müde fuhr er sich mit der Hand über die Augen. Ich halte das nicht mehr aus, dachte er, und ballte die Fäuste. Was hatte er, Ciaran – oder Henry Granville, wie auch immer –, überhaupt mit all dem zu schaffen? Wieso sollte ausgerechnet er diesen Kampf durchfechten? Er war kein Lollarde. Er konnte nichts für den Glauben seiner Eltern. Wie kam er überhaupt dazu, sein Leben für deren Sache aufs Spiel zu setzen? Eins war klar: Er wollte nicht mehr. Aus, Schluss, vorbei. Das Maß war voll. Was scherten ihn Wyclif oder dieser böhmische Priester? Er wollte sich nicht aufopfern für eine Aufgabe, die nicht seine war. Und schon gar nicht wollte er dafür sterben. Ab jetzt ging ihn das alles nichts mehr an. Ab jetzt würde er sein eigener Herr sein!
    Mit einem Ruck erhob sich Ciaran aus dem Gras. Das Wichtigste war jetzt, den Häschern nicht doch noch in die Hände zu fallen. Sie würden nach einem Mönch suchen, also zog er sich hastig aus und schlüpfte in die zerrissenen Sachen des toten Bauern. Einen Augenblick zögerte er, dann holte er das Manuskript aus der Harfe und stopfte es in seinen Rucksack. Sei’s drum. Diese Schweine sollen es nicht kriegen, dachte er trotzig. Er steckte die Teile seiner Harfe in das zerschnittene Futteral und warf es sich über die Schulter. Dann warf er einen letzten Blick auf die Toten und stapfte durch das Unterholz in Richtung Norden.
    Aus den Werken Abaelards über die Juden
… Keine Nation hat je derartiges für Gott erlitten. Unter alle Nationen zerstreut, ohne König oder weltliche Fürsten, werden die Juden mit schweren Steuern bedrückt, als ob sie jeden Tag von neuem ihr Leben loskaufen sollten. Die Juden zu misshandeln, hält man für ein Gott wohlgefälliges Werk. Denn eine solche Gefangenschaft, wie sie die Juden erleiden, können sich die Christen nur aus dem höchsten Hass Gottes erklären. Das Leben der Juden ist ihren grimmigsten Feinden anvertraut. Selbst im Schlaf werden sie von Schreckensträumen nicht verlassen. Außer im Himmel haben sie keinen sicheren Zufluchtsort. Die christlichen Fürsten wünschen in Wahrheit ihren Tod, um ihren Nachlass an sich zu reißen. Äcker und Weingärten können sie nicht haben, weil niemand da ist, der ihren Besitz garantiert. Also bleibt ihnen als Erwerb nur das Zinsgeschäft, und dieses macht sie wieder bei den Christen verhasst …

München, Ostern 1414
    Der Mann stand schon eine ganze Weile an der Bretterwand des Schweinekobels und beobachtete die Kinder, die am Kaltenbach spielten. Es war Gründonnerstag, und an dem kleinen Wasserlauf herrschte vor dem Feiertag reges Treiben.

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