Die silberne Göttin
müssen. Aber sagen Sie …"
"Ja?"
"Darf ich Sie, da wir nun ja verlobt sind, beim Vornamen nennen?"
Überrascht lachte Iantha auf. "Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Natürlich, wenn Sie möchten."
"Ich möchte. Und ich möchte noch mehr, dass Sie mich Rob nennen."
Und ohne ihr Zeit zum Antworten oder zum Nachdenken zu lassen, beugte er sich vor und drückte ihr einen schnellen Kuss auf die Wange.
Dann ging er pfeifend davon.
Die Einladungen für den Empfang waren rechtzeitig geschrieben und abgeschickt worden. Man lud die Gäste ein, am Tag vor Heiligabend anzureisen und dann, wenn möglich, eine Woche lang zu bleiben. Eine Woche! Iantha schauderte beim dem Gedanken. Und doch wurde sie von einer Erregung ergriffen, wie sie sie schon seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. Es war zu gleichen Teilen eine Mischung aus freudiger Erwartung und Angst.
Worauf hatte sie sich da nur eingelassen? Auf eine Heirat? Einen Ehemann? Mit dem sie das Bett teilen würde? Würde sie es ertragen können? Seine Lordschaft glaubte, dass sie nach und nach ihre Angst überwinden könnte. Genügten ihr Verstand und ihre strenge Disziplin, um dieser Herausforderung gewachsen zu sein? Sie wünschte es so sehr.
Verflucht sollten diese Teufel sein! Sie wollte ein normales Leben, und nicht nur voller Scham und Furcht eingeschränkt dahinvegetieren! Und wenn Rob Armstrong den Mut hatte, ihr die Ehe anzubieten, so würde sie alles daransetzen, dass diese Ehe ein Erfolg wurde.
Irgendwoher würde sie die Kraft dazu nehmen.
Heute fuhr sie zusammen mit ihren Eltern, um ihr neues Heim zu besichtigen. Auch mussten die Vorkehrungen für den Verlobungsempfang besprochen werden. Wie anders war diese Fahrt jetzt im Vergleich zu jener schicksalhaften vor zwei Wochen! Die Sonne strahlte, und nur an schattigen Stellen lag noch etwas Schnee. Von ihrem Eispanzer befreit, plätscherten fröhlich kleine Wasserfälle von den Höhen der Hügel herab in den Fluss, der sich unten durch das enge Tal wand.
Das letzte Mal war sie hier allein in einem offenen Wagen entlanggefahren. Jetzt saß sie eingesperrt mit ihren Eltern in einer Kutsche. So lieb ihr auch ihre Eltern waren, so sehnte sie sich doch nach ihren Malutensilien und der frischen Luft in ihrem Gig. Dieses nützliche Gefährt war zwar unter der Schneewehe hervorgeholt worden, doch trotz vieler Versprechen hatte man es noch nicht wieder in Stand gesetzt.
Sie blickte zu ihrem Vater und lächelte. Papa war ganz schön schlau. Sie bezweifelte stark, dass ihr die kleine Kutsche noch vor ihrer Hochzeit wieder zur Verfügung stehen würde – wenn sie überhaupt je wieder darüber würde verfügen können. Nach ihrer Hochzeit lag die Verantwortung für ihre Sicherheit bei Lord Duncan, und Papa würde sicher erleichtert aufatmen.
Die Kutsche rollte um eine scharfe Kurve und dann die Straße entlang, die in engen Windungen zu The Eyrie hinaufführte. Einige Zeit später hielten sie in einem Hof unterhalb des Schutzwalls des älteren Schlossteils. In früheren Zeiten war dies einmal der Außenhof gewesen, doch jetzt war die Mauer ziemlich verfallen. Als Iantha aus der Kutsche stieg, konnte sie etwas weiter unten das Dach des Stallgebäudes sehen.
Und Lord Duncan, der am Schlossportal stand. Rob, ermahnte sie sich. Sie musste daran denken, ihn Rob zu nennen. Als er sie sah, stieg er die wenigen Stufen hinunter und half ihr aus der Kutsche. Hinter ihm tauchte eine Gestalt auf, die alle Merkmale eines Butlers trug. Offensichtlich war die neue Dienerschaft angekommen.
"Willkommen! Willkommen auf The Eyrie. Lady Rosley. Mylord. Ich hoffe, Ihre Gicht ist besser geworden?"
Lord Rosley streckte ihm die Hand entgegen, und Rob schüttelte sie. "Ein wenig besser, danke. Wenigstens kann ich wieder einen Stiefel anziehen."
Rob wandte sich nach ihr um. "Iantha."
Iantha entdeckte einen neuen Klang in seiner Stimme, als er ihren Namen aussprach. Sie sah ihm ins Gesicht und erschrak. In seinem dunklen, durchdringenden Blick las sie das gleiche Gefühl, das auch in seiner Stimme mitschwang. Ihr stockte der Atem, und sie brauchte ihre ganze Beherrschung, um nicht wieder in die Kutsche zu flüchten. "Danke, Mylord."
Eine große, warme Hand schloss sich um die Ihre. Iantha trat hinunter auf den Kies und nahm dann vorsichtig den Arm, den er ihr bot. Sie schien voll und ganz damit beschäftigt zu sein, ihre Röcke zu ordnen, und sah Rob kaum an. Da sie ihn seit ihrer Verlobung nicht mehr gesehen hatte, hatte sie
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