Die silberne Göttin
Lächeln zurück.
Gegen ihren Willen errötete Iantha. "Ich entschuldige mich ja! Es ist nur, dass … dass …"
"Sie kein Bedürfnis haben, Ihre frühere Erfahrung noch einmal zu wiederholen."
"Genau." Sie sah überrascht auf. "Ich kann nicht die ganze Zeit immer nur drinnen bleiben. Noch ertrage ich es, wenn mir ein Stallbursche überallhin folgt, auf mich aufpasst und mich antreibt. Nebenbei bemerkt, ich hatte damals vier Männer bei mir. Die Bande hat alle niedergeschossen. Vielleicht wäre die Geschichte anders ausgegangen, wenn ich ein paar Pistolen in der Kutsche gehabt hätte."
Und wenn sie dadurch auch nur die Möglichkeit gehabt hätte, sich selbst zu erschießen.
"Ich kann Sie nicht von diesem Vorfall sprechen hören, ohne den heißen Wunsch zu verspüren, diese Burschen zwischen die Finger zu bekommen."
"Ich weiß Ihre Entrüstung zu schätzen." Iantha beugte sich vor. "Aber sehen Sie es denn nicht, Lord Duncan? Sie haben nicht nur meinen Körper verletzt. Meine Seele ist verwundet. Und davon werde ich mich nie wieder erholen."
Auch er beugte sich zu ihr, und dieses Mal ergriff er ihre Hand. "Ich würde gerne diese Wunde heilen. Ich würde Sie sehr gerne wieder heil und ganz sehen."
Könnte das je wieder sein? Iantha wollte ihm schon wieder ihre Hand entziehen. Doch dann unterdrückte sie den Impuls. Wenn er nur wüsste, welch große Anstrengung sie das kostete. Seine Nähe weckte tief in ihrem Innern ein beunruhigendes, verwirrendes Erzittern.
"Vielleicht werde ich nie in der Lage sein, Ihnen eine andere Tochter zu schenken. Ich fürchte, ich könnte Ihnen nie ein richtige Frau sein."
"Ich weiß, dass es für Sie sehr schwer sein wird. Doch für den Anfang müsste es ja noch nicht sein. Ich glaube, dass wir zusammen diese schreckliche Angst mit der Zeit überwinden können." Er lächelte.
"Und außerdem, Miss Kethley, die Liebe kennen zu lernen ist eines der größten Abenteuer des Lebens. Teilen Sie es mit mir. Lassen Sie mich Ihnen helfen. Fangen wir damit an, dass Sie mir erlauben, Ihnen die Hand zu küssen."
Er ergriff ihre Hand und strich leicht mit den Lippen über die Finger, dann ließ er die Hand wieder los.
Iantha rieb unwillkürlich die Stelle, wo sein Mund sie berührt hatte. Ein Heim. Vielleicht auch Kinder. Sie waren die einzigen menschlichen Wesen, in deren Gesellschaft sie sich zurzeit wohl fühlte.
Und jemand, mit dem zusammen sie Abenteuer erleben könnte.
Das größte Abenteuer des Lebens. War es immer noch möglich?
"Könnten wir eine lange Verlobungszeit haben?"
"So lang, wie Sie wollen."
"Sind Sie wirklich entschlossen, solch eine Mühe auf sich zu nehmen?"
"Ja."
Iantha presste entschlossen die Lippen zusammen. "Dann kann ich es Ihnen nur gleichtun."
5. Kapitel
Die Stimmung beim Frühstück war sogar noch gelöster als am Abend zuvor. Mama jubelte – sehr gefasst und diskret natürlich. Doch ihre funkelnden Augen verrieten sie. Papa machte den Eindruck, als sei ihm alle Last der Welt von den Schultern genommen worden. Und Lord Duncan schien mit sich selbst außerordentlich zufrieden zu sein.
Iantha kämpfte um ihre Beherrschung.
Was hatte sie getan? Selbst hier, an Tisch ihrer eigenen Familie, erweckte seine Gegenwart ungewohnte Gefühle in ihr, sodass sie spürte, wie sich jeder Muskel ihres Körpers verkrampfte. Dann sagte er etwas, und gegen ihren Willen musste sie lachen. Und wenn er ihr sein warmes Lächeln schenkte, vergaß sie einen Augenblick lang alles. Vielleicht hatte er Recht, wenn er glaubte, dass er sie heilen konnte. Eines war jedenfalls sicher – solch ein Angebot bekäme sie nie wieder.
Sie würde den Versuch wagen. Mit jeder Faser ihres Seins würde sie sich bemühen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen – und die Frau zu werden, von der sie gehoffte hatte, sie einmal zu sein. Damit sie nicht wieder von Panik ergriffen wurde, konzentrierte sie sich auf das Tischgespräch.
Ihre Mutter hatte gerade das Wort ergriffen. "Ich glaube, wir sollten die Verlobung an Weihnachten bekannt geben. Das ist eine so schöne Zeit für ein frohes Ereignis. Und die Leute verbringen dann gerne die Feiertage auf dem Land. Ich werde sofort eine Liste zusammenstellen. Wir müssen an all unsere Bekannten denken. Aber natürlich, Iantha, Liebes, wenn du lieber …"
Iantha schüttelte den Kopf. Sie hätte viel lieber jede Ankündigung vermieden, bis sie sich sicherer gewesen wäre, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Doch ihre Mutter
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