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Die silberne Göttin

Die silberne Göttin

Titel: Die silberne Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Rowell
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über sie. "Warum weinen Sie?"
    "I… ich weiß es nicht", stieß sie hervor. "Ich weine nie. Ich habe nicht geweint, seit …" Sie schwieg und suchte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch. Sie musste ihre Beherrschung wieder finden. Nach Luft ringend, zwang sie sich, nicht mehr zu weinen, und putze sich die Nase.
    "Seit Sie überfallen wurden?"
    Sie nickte. "Ich will keine Heulsuse sein."
    Sie fühlte, wie erneut ein Schluchzen in ihr aufstieg, und wehrte sich mit aller Kraft dagegen.
    Rob betrachtete sie nachdenklich. "Sie haben nie wegen dem, was man Ihnen angetan hat, geweint? Wegen dem, was Sie verloren haben?"
    "Nein." Sie reckte das Kinn vor und presste die Lippen aufeinander. "Wozu soll das gut sein? Es ist besser für mich, wenn ich meine Gefühle unter Kontrolle habe. Ich habe mich einfach bei dieser ausgelassenen Schneeballschlacht zu sehr gehen lassen. Ich werde vorsichtiger sein."
    "So haben diese Bastarde Ihnen auch die Fähigkeit zu trauern oder sich zu freuen geraubt."
    Sie schaute ihn an und schien über seine Worte nachzudenken. "Ich vermute, das kann man so sagen. Doch warum ich jetzt zu weinen anfangen wollte, wo ich doch gerade so vergnügt war, verstehe ich überhaupt nicht."
    Er wischte ihr sanft die kalten Tropfen von den Wangen und sah ihr ernst ins Gesicht. "Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass Lachen und Weinen nahe beieinander liegen, wenn eine Seele von Schmerz erfüllt ist."
     
    Rob belegte diese Schurken mit jedem Fluch, den er in seinem weit gereisten Leben jemals gehört hatte. Als sich Iantha auf ihr Zimmer zurückgezogen hatte, war sie wieder völlig ruhig gewesen – äußerlich. Doch der heutige Vorfall hatte klar gezeigt, welche Qualen sie in ihrem Innern verbarg. Er hatte Recht gehabt mit der Annahme, dass sie das Herumtollen im Schnee, zusammen mit den Kindern, genießen würde. Und dass es die strenge Beherrschung, die sie sich auferlegt hatte, etwas lockern würde. Doch er hatte nicht geahnt, was sich alles hinter diesem Schutzwall auftürmte.
    Er hätte es wissen müssen.
    Seine eigene Erfahrung hätte es ihn lehren müssen.
    Hatte er sich eine unlösbare Aufgabe gestellt? Rob weigerte sich, so etwas zu denken. Die Tatsache, dass Ianthas Schutzmauer für einen kurzen Augenblick gewankt hatte, ermutigte ihn. Sie konnte weinen und lachen. Doch es war unwahrscheinlich, dass sie irgendwelche Fortschritte machen würde, solange so viele Menschen um sie herum waren. Es würde sie zu sehr in Verlegenheit bringen, sollte sich so etwas noch einmal wiederholen. Sicher würde sie jetzt ihre Gefühle verschließen, wie man Gefangene hinter einer schweren Gefängnistür verschloss.
    Ein Verlies, in das sie selbst sich gesperrt hatte.
    Rob brauchte einen neuen Plan.
     
    Später am Nachmittag versammelten sich die Gäste und der größte Teil der Dienerschaft in der Halle, um den Julblock zu entzünden. Rob hatte einen großen Baumstumpf den Berg heraufbringen lassen, der jetzt im riesigen Kamin lag. Einige Stunden zuvor hatten die Kinder ihn mit Stechpalmen und Mistelzweigen geschmückt.
    Die Versammlung war diesmal etwas lauter und lärmender, was zum großen Teil daran lag, dass etliche Herren sich freimütig in Robs exzellentem Weinkeller bedient hatten, während sie den Nachmittag mit Kartenspiel verbrachten. Und es war Heiligabend. Doch trotz ihrer aufgekratzten Stimmung benahmen sie sich so tadellos, wie es die Anwesenheit von Damen erforderte.
    Alle wurden still, als Rob eine Fackel ergriff und sich damit dem Feuerplatz näherte. Die Stille wurde allerdings von dem durchdringenden Jammergeschrei des Jüngsten Julblockschmückers unterbrochen, dem erst jetzt klar wurde, dass sein Kunstwerk gleich in Flammen aufgehen würde. Glücklicherweise hatte sein Kindermädchen die Geistesgegenwart, den verzweifelten Künstler mit einem großen Stück Teekuchen zu trösten.
    Unter Gelächter entzündete Rob das Feuer und wandte sich dann an seine Gäste. "Allen eine fröhliche Weihnacht! Und willkommen auf The Eyrie."
    Ein lauter Jubel antwortete ihm. Dann wurden heiße Schokolade und Eierpunsch gereicht, und man nahm die Unterhaltung wieder auf. Iantha nippte nur ein wenig an ihrem Getränk. Wenn sie daran dachte, was ihr nach der Schneeballschlacht passiert war, so hielt sie es für besser, nicht zu viel zu trinken. Es war nicht vorauszusehen, was sie tun würde, sollte sie noch einmal derart die Beherrschung verlieren. Sie beobachtete Rob, wie er zwischen seinen Gästen umherging und

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