Die silberne Göttin
Dienerschaft ist noch eine Weihnachtsfeier im Gange. Würden Sie gerne mit mir hinuntergehen und alle kennen lernen? Ich muss die Geschenke verteilen. Sie könnten mir dabei helfen, wenn Sie nicht zu müde sind."
"Nein, ich bin nicht zu müde." Iantha überlegte einen Moment. "Ich denke, ich begleite Sie. Wenn ich schon eines Tages die Hausherrin sein werde, sollte ich sie alle kennen lernen."
"Das denke ich auch." Rob bot ihr den Arm. Iantha zögerte nur einen winzigen Moment, dann nahm sie seinen Arm, und gemeinsam schritten sie durch die Halle und etliche Treppe hinunter. Die Bedienstetenstube wurde vom Feuer eines großen Kamins erhellt, der mit Weihnachtsgirlanden dekoriert war. Feller spielte auf seiner Fiedel, und Bierhumpen machten die Runde. Iantha schreckte zurück, als den mit Menschen voll gestopften Raum sah, doch Rob drückte beruhigend ihre Hand und führte sie durch die Tür.
"Willkommen! Willkommen, Mylord … Miss Kethley. Kommen Sie herein." Burnside eilte auf sie zu.
Iantha lächelte, als sie das vertraute Gesicht sah. "Guten Abend, Burnside. Wie ist es Ihnen die ganze Zeit ergangen?"
"Besser als gut, Miss Kethley. Gut, Sie wiederzusehen." Er zog einen Stuhl heran. "Setzen Sie sich doch."
"Noch nicht." Rob hielt sie zurück. "Zuerst haben wir noch eine Aufgabe zu erfüllen." Er hob einen von etlichen großen Körben hoch, die entlang der Wand standen. Sie waren bis zum Rand mit hübsch eingepackten Geschenken gefüllt. Rob fing an, Namen aufzurufen, und übergab Iantha das jeweilige Geschenk. Sie übereichte dann das Geschenk der jeweiligen Person, die vortrat, wiederholte den Namen und wünschte ihr oder ihm Fröhliche Weihnachten. Das war eine gute Methode, jeden ihrer Dienerschaft kennen zu lernen, dachte sie bei sich.
Zuerst fühlte sie sich etwas unbehaglich. Doch alle Gesichter lächelten oder blickten scheu drein, in keinem las sie Mitleid oder Verdammung. Es kam ihr in den Sinn, dass weibliche Bedienstete oft von höher gestellten Männern missbraucht wurden. Die Schande musste häufig dann die Frau ertragen. Hatte eines der lächelnden Mädchen in einer früheren Anstellung auch so etwas ertragen müssen? Der Gedanke weckte ein Gefühl der Verbundenheit in Iantha. Sie entspannte sich und staunte, wie viel wohler sie sich in ihrer Gesellschaft fühlte als in der ihres eigenen Standes.
Nachdem alle Geschenke verteilt waren, wurden die Möbel an die Wand gerückt, und Feller nahm seine Geige zur Hand. Gruppen stellten sich zum Tanz auf, und man zeigte Iantha mehrere Tänze. Als alle Rob drängten, doch auch sein Können zu zeigen, hatte Iantha sich, ehe sie sich versah, ihnen angeschlossen und sah lachend zu, wie er den Rock auszog und der Aufforderung nachkam.
Sie fand Gefallen an seiner Kraft und sah gerne dem Spiel seiner Muskeln zu. Tief in ihrem Innern begann etwas aufzutauen.
Zuletzt stellte man sich zu einem Ninepins Reel auf. Rob streckte die Hand aus. "Kommen Sie, Miss Kethley, jetzt haben wir die Gelegenheit, den Reel richtig zu tanzen."
Bevor sie noch etwas einwenden konnte, hatte er sie schon von ihrem Platz gezogen und sich zusammen mit ihr zu den anderen gestellt. Bald tanzte sie fröhlich, unter viel Klatschen und Stampfen, von einem zum anderen. Immer schneller wurde die Musik, und Iantha wirbelte herum, um im Takt zu bleiben, ergriff Robs Hand, wenn die Tanzfiguren sie zusammenbrachten. Der Tanz endete mit fröhlichem Beifall und Robs Arm um ihrer Taille.
Iantha fächelte sich Luft zu und wollte zu ihrem Platz gehen. Doch Rob wünschte allen noch einmal Frohe Weihnachten und zog sie zur Tür hin. Sie lachte und winkte, rief allen zum Abschied zu, während er sie zum Ausgang führte.
Lachend liefen sie die ersten Treppen empor. Oben angekommen, blieben sie einen Moment stehen, um nach Luft zu schnappen. Bevor Iantha wusste, wie ihr geschah, hatte Rob sie in die Arme genommen und an sich gezogen. Seine warmen Lippen lagen auf den ihren. Im ersten Augenblick war sie wie gelähmt. Doch noch bevor sie wusste, was sie tun sollte, hatte er sie schon wieder losgelassen und stand lächelnd vor ihr.
"Sie haben sich gut amüsiert?" Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage.
"Ich …Ja, wirklich. Das habe ich." Sie blickte etwas verwirrt zu ihm auf. Er hatte sie geküsst. Richtig geküsst!
Zum ersten Mal in ihrem Leben.
Es war so schnell gegangen, dass sie gar keine Zeit gehabt hatte, zu reagieren oder Angst zu verspüren. Rob erwiderte ihren Blick. Dann beugte er
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