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Die silberne Göttin

Die silberne Göttin

Titel: Die silberne Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Rowell
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irgendeiner von ihnen …"
    Rob zerknüllte wütend das Papier und schüttelte die Faust. "Man sollte sie aufhängen. Und wenn ich einen von ihnen identifizieren könnte, würde ich dafür sorgen, dass man ihn hängt, und wenn ich es selbst tun müsste. Gibt es nicht irgendetwas, woran du dich erinnern kannst?"
    "Ich versuche so sehr, mich nicht zu erinnern." Sie starrte auf ihre geballten Fäuste.
    Rob kam sich wie der brutalste Mensch auf Erden vor, aber er fuhr fort. "Ich kann mir vorstellen, wie quälend das für dich ist, aber schon die kleinste Kleinigkeit kann uns helfen, sie zu entdecken. Waren sie alle jung?"
    "Ich bin mir schon wieder nicht sicher." Sie blickte ins Feuer und dachte nach. Rob drängte sie nicht. Endlich sagte sie: "Es fällt mir sehr schwer, daran zu denken. Aber ich denke, die meisten von ihnen waren wahrscheinlich jung. Sie schienen alle … sehr …" Ihr Kinn zitterte und sie biss die Zähne zusammen. "Sehr stark."
    Würde sie noch eine Frage ertragen? Vielleicht noch eine. Um diesem Grauen ein Ende zu machen, musste er alles wissen. "Was ist mit ihrer Kleidung, ihren Pferden?"
    Iantha zuckte die Achseln und verkroch sich wieder in sich selbst. "Ich weiß es nicht. Sie waren keine Wegelagerer." Sie drehte sich jäh zu ihm um. "Bitte, Rob, Ich kann nicht …"
    Rob ging um den Tisch herum und legte ihr die Hand auf die Schulter. "Es tut mir Leid. Ich weiß, dass es sehr schmerzlich für dich ist."
    "Ja." Sie schaute auf ihre ineinander verkrampften Hände. "Wenn ich die Erinnerung zulasse, dann kommt alles zurück, und … und ich werde sehr aufgeregt." Sie barg das Gesicht in den Händen. "Ich weiß nicht, was ich dann vielleicht tun werde."
    "Sieh mich an, Iantha." Rob zog sanft ihre Hände fort und hob ihr Gesicht zu sich empor. "Ich kann dir nicht sagen, dass du vor Angst und Wut nicht wahnsinnig wirst. Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich es nicht wurde. Und ich glaube, dass ich mich nie von meinem Kummer und meiner Verbitterung erholt hätte, wenn ich mich nicht mit meinem Zorn auseinandergesetzt hätte." Er lächelte. "Und ich glaube, dass ich wahrscheinlich dabei eine Menge mehr Unheil angerichtet habe, als du es jemals könntest."
    "Manchmal glaube ich, dass ich zu allem fähig wäre. Ich möchte dich nicht verletzten … noch irgendjemanden sonst …"
    Er strich ihr zart mit den Lippen über die Stirn.
    "Ich halte das für höchst unwahrscheinlich."
    Er würde aufpassen, dass es nicht so weit kam.
     
    Iantha schreckte aus dem Schlaf hoch. Ein Schrei saß ihr in der Kehle, und sie presste beide Hände vor den Mund, um ihn zu ersticken. Als es ihr gelungen war, setzte sie sich auf und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Es war schon die dritte Nacht, in der die schreckliche Ereignisse jener Nacht zurückgekommen waren, um sie in ihren Träumen zu quälen – die Kälte, die Masken, der Schmerz. Sie konnte sie nicht länger verdrängen. Durch das verhasste Lachen, durch das Wissen, dass jemand von ihnen in ihrem Heim gewesen war, durch die Antworten auf Robs Fragen war sie gezwungen worden, sich zu erinnern. Pandoras Büchse war dadurch geöffnet worden.
    Und jetzt konnte sie sie nicht mehr schließen.
    Seit drei Tagen erschienen jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, die Bilder von grotesken, blutroten Masken vor ihrem inneren Auge. Tierische Laute beleidigten ihr Ohr. Der Geruch nach Alkohol erweckte Panik in ihr. Doch das konnte sie Rob nicht erzählen.
    Sie konnte ihm überhaupt nichts erzählen.
    Er hatte ihre Selbstbeherrschung erschüttert. Er hatte sie zum Lachen gebracht. Er hatte sie zum Weinen gebracht. Sie hatte mit ihm getanzt und ihn geküsst. Seine Männlichkeit wirkte auf all ihre Sinne und weckte Gefühle in ihrem Körper, vor denen sie Angst hatte.
    Während dieser Tage blieb sie in ihrem Schlafzimmer, aber ihr Kopf weigerte sich, Antworten auf die Briefe zu finden, die sie von La Belle Assemblée erhielt. Der Versuch, ihre Verwirrung in Verse zu fassen, misslang von Anfang an. Das Bild, das sie zu malen begonnen hatte, entartete zu einem dunklen, wirbelnden Etwas. Iantha warf es ins Feuer.
    Sie stand auf und ging zum Fenster. Ein starker Wind wehte, doch es fiel kein Schnee. Genau wie damals, in dieser entsetzlichen Nacht.
    Und jetzt fühlte sie auch wieder die Kälte.
    Iantha kletterte ins Bett zurück und zog die daunengefütterte Decke bis zum Kinn.
    Und lag zitternd wach bis zum Morgen.
    Genau wie in dieser anderen Nacht.
     
    Er wusste nicht, wie er ihr

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