Die silberne Göttin
Schluchzen.
Rob überlegte eine Weile. "Nein, das glaube ich nicht. Starke Gefühle bringen es manchmal mit sich, dass wir außer uns sind."
"Ist dir das auch passiert?"
"Nicht auf diese Art, aber es gibt Momente, an die ich mich nicht erinnern kann. Erinnerst du dich an das, was gerade geschehen ist?"
Es folgte ein langes Schweigen. Dann schauderte sie. "Ja, ich will es nicht … aber ich tue es. Ich war wieder dort, mit – mit ihnen. Er hatte das Messer … Es klebte immer noch das Blut meiner Kinderfrau daran." Sie wurde erneut von einem Weinkrampf geschüttelt. "Er hatte ihr die Kehle durchgeschnitten, und dann hielt er mir das Messer an den Hals, und ich durfte mich nicht bewegen oder schreien … noch nicht einmal, als er … Als ich wegen der Schmerzen schrie, schnitt er mich."
Rob ballte heimlich die Fäuste, aber er achtete darauf, dass seine Stimme ruhig klang. "Jetzt ist alles gut. Du bist hier bei mir und in Sicherheit."
"Er … er zischte mich an", sagte sie, von Schluchzen unterbrochen, mit matter Stimme.
"Zischte?" Rob rückte etwas von ihr fort, um sie verwundert anzublicken.
"Durch die Zähne." Wieder schluchzte sie. "Ich kann mich nicht an seine Stimme erinnern, weil er alles zischte – 'Rühr dich nicht', 'Still!' Nur wenige Befehle. Er war der Erste." Sie klammerte sich an Rob, verbarg ihr Gesicht an seiner Brust und begann wieder zu weinen.
Jetzt fing sie an, in seinen Armen zu zittern. Rob tastete mit den Füßen umher und endlich gelang es ihm, den Zipfel von einem der Schultertücher bis in Reichweite seiner Hand zu schieben. Er breitete das Tuch über sie beide.
Wieder unterdrückte sie ihr Schluchzen lange genug, um zu sagen: "Und dann kam ein anderer und ein anderer und … ich weiß nicht … Sie zerschnitten meine Kleidung und schlugen mich … und einer von ihnen biss mich." Die Stimme brach ihr, und ein leises Schluchzen schüttelte den zarten Körper.
"Zur Hölle mit ihnen!" Rob konnte den Fluch nicht zurückhalten. "Sie zu töten ist eine zu geringe Strafe."
Er hob sie auf und trug sie zum Bett. Dann zog er die Stiefel aus, legte sich neben sie und zog die Decke über sie beide.
Iantha schluchzte tief auf und blickte ihn an. "Bitte, verlass mich nicht."
Rob blickte in ihr tränenüberströmtes Gesicht. "In diesem Augenblick könnten alle Mächte der Hölle mich nicht von dir trennen."
Es war kalt in ihrem Schlafzimmer, als sie in der frostigen Morgendämmerung aufwachte und bemerkte, dass ihr Ehemann neben ihr lag. Du lieber Himmel! Hastig zog sie die Decke bis zur Nasenspitze hoch und lag zitternd da. Kurz darauf war ein Rascheln von der anderen Seite des Bettes her zu hören. Ohne den Kopf zu drehen, schielte sie vorsichtig hin.
Rob lächelte auf sie herunter, das Kinn in die Hand gestützt.
Schnell schaute Iantha wieder weg und betrachtete die Zimmerdecke, während sie sich noch mehr unter der Steppdecke verkroch.
Ihr Gatte lachte leise. "Findest du das Bettzeug nicht etwas überflüssig? Immerhin hast du dein Kleid noch an, und ich trage Hemd und Kniehose."
Sie wagte einen weiteren Blick. "Aber wir liegen zusammen im Bett!"
"Das ist doch eigentlich keine so ungewöhnliche Situation bei Eheleuten."
Iantha zog die Decke noch enger an sich. "Wir – wir haben nicht …"
Robs Grinsen verschwand. "Ich weiß. Wir haben nicht. Aber wenn du mir erlaubst, dich in den Arm zu nehmen, will ich dich wärmen."
Sollte sie es wagen? Die letzte Nacht war so schrecklich gewesen. Doch dass Rob sie später im Arm gehalten hatte … das hatte sie als sehr tröstlich empfunden. Sie fing an, vor Kälte mit den Zähnen zu klappern, und nickte.
"Danke!"
Sie rückte näher an ihn heran, und er zog sie in seine Arme. "Wie geht es dir heute Morgen?"
"Ich weiß nicht so recht. Ich muss etwas wissen …" Iantha rückte ein wenig von ihm ab und sah ihn an. "Als du das alles gestern Abend gesehen hast … und gehört hast, was ich erzählt habe … Hast … hast du dich da vor mir geekelt?"
"Nein!" Die Antwort kam mit fester Stimme, und er zögerte keine Sekunde. "Wie könnte ich? Du bist nicht weniger schön oder interessant, als du es gestern warst. Nicht weniger klug. Nicht weniger faszinierend. Was sie getan haben, ändert daran überhaupt nichts. Ich bereue nur, dass ich nicht da war, um dich zu verteidigen."
"Ich danke dir." Es hörte sich an, als würde er jedes Wort auch so meinen, wie er es sagte. Seine Wärme hüllte sie ein, und seine Hand streichelte zart ihren
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