Die Silberschmiedin (2. Teil)
fragte sie.
«Du bist meine Schwester. Wir tragen denselben Namen und sollten nicht handeln wie Krämerinnen auf dem Markt.»
«Schwestern, sagst du? Gut, dann möchte ich Kleider, wie du sie trägst. Zwei für die Woche, eins für den Sonntag. Aus dunkelblauem Samt und mit Perlen bestickt. Dazu Haarbänder. Eine weitere Magd soll kommen, dazu eine Wäscherin. Statt des Lohnes will ich an der Werkstatt beteiligt werden. Und zwei freie Tage in der Woche. Am Abend will ich gehen, wohin es mich treibt.»
«Ein Kleid aus Tuch und eines aus einfachem Samt. Zu jedem ein Haarband. Eine zusätzliche Magd kannst du dir auch suchen. Du bekommst statt der 10 Groschen in Zukunft 12 Groschen pro Woche an Lohn, dazu einen freien Tag. Sobald der Nachtwächter seine Runde macht, bist du in deiner Kammer. Machst du uns noch einmal mit den Zeichen der Liebe an deinem Hals lächerlich, so bleibst du im Haus, bis die Flecken verschwunden sind. Das ist mein letztes Wort. Du kannst es dir überlegen.»
Mit diesen Worten verließ Eva die Küche und ging hinauf in ihre Kammer. Sie legte sich ins Bett und löschte das Licht, doch sie war noch viel zu erregt, um schlafen zu können.
Hat Susanne etwa Recht?, überlegte sie. Habe ich sie nicht gehen lassen können, weil ich nicht verlieren kann?
Auf einmal durchfuhr sie ein Gedanke. Sie schoss hoch.
«Ich habe sie gebeten, hier zu bleiben», flüsterte sie in das dunkle Zimmer hinein. «Jetzt bin ich fortan für ihr Glück zuständig. Solange wir unter einem Dach leben, wird sie mich in die Pflicht nehmen.»
Ärger stieg in ihr hoch. Sie schlug mit der flachen Hand auf ihre Bettdecke. «Herrgott nochmal! Ihr ganzes Leben lang hat sie die Schuld für alles, was ihr widerfahren ist, auf andere geschoben. Und jetzt habe ich ihr einen Vorwand geboten, es weiterhin zu tun. Weiß Gott, was mich das kosten wird!»
Nachdenklich starrte sie in die Dunkelheit und sprach nach einer Weile weiter: «Ihre Sinnlichkeit ist mir ein Greuel. Sie ist so triebhaft wie ein Tier. Schamlos ist, was sie treibt. Ein rasendes Weib ist sie, nicht besser als eine läufige Hündin. Sie hat keinen Stolz im Leib, keine Würde und kein Gewissen.»
Eva stockte. «Warum ereifere ich mich so? Kann es mir nicht gleichgültig sein, was sie treibt? Ein jeder muss für seine Sünden selbst bezahlen.»
Als hätte diese Erkenntnis sie beruhigt, legte sie sich wieder hin und war kurz darauf eingeschlafen.
Am nächsten Morgen war Markttag. Eva entschloss sich, Susanne zum Einkauf zu begleiten. Es war wichtig, dass Frieden im Haus herrschte.
Nebeneinander liefen sie die Hainstraße entlang, und Eva wunderte sich über die zahlreichen Männer, die Susanne grüßten.
«Ich habe nicht gewusst, wie bekannt du schon bist», stellte sie fest und drehte sich nach einem Handwerker um, der Susanne auffallend fröhlich zugewinkt hatte.
«Es gibt vieles, was du nicht weißt», erwiderte Susanne. «Du bist ja ständig mit Mattstedt unterwegs, flichst ein Beziehungsnetz zur Leipziger Oberschicht oder hockst bis Mitternacht in der Werkstatt. Wer aber kauft bei dir, ohne dass er von Mattstedt geschickt worden ist?»
Eva hätte gern gefragt, wo Susanne die Bekanntschaften gemacht hatte, doch sie wagte es nicht.
«Sieh, da ist ein Stand mit feinen Tuchen. Lass uns sehen, ob wir dort etwas Passendes für dich finden», sagte sie stattdessen und zog Susanne in das Getümmel des Marktes.
Während Eva die Stoffe befühlte, stand Susanne dabei, strich nur beiläufig über den einen oder anderen Stoffballen.
«Was ist? Gefällt dir hier nichts?»
«Doch», nickte Susanne. «Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass uns jemand beobachtet. Lass uns weitergehen, ich bitte dich.»
Eva zuckte mit den Achseln, sah sich flüchtig nach allen Seiten um und folgte Susanne zu einem anderen Stand, an dem Haarbänder, Kämme, Bürsten, Pinsel und ähnliche Dinge zum Verkauf lagen. Diesmal hatte auch sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Sie drehte sich um. Nur wenige Meter entfernt stand David, der sie gezeichnet hatte, nickte ihr zu und kam näher.
«Grüß Euch Gott, Silberschmiedin Eva.»
«Seid auch Ihr gegrüßt. Ich hätte nicht gedacht, Euch überhaupt und so bald wiederzusehen.»
David lachte: «Das glaube ich Euch gern.»
Inzwischen war auch Susanne dazugetreten. «Oh, der Tierbändiger!», rief sie aus und fügte hinzu: «Ihr seht schlecht aus. Was ist Euch geschehen?»
Erst jetzt bemerkte Eva, dass der Silberschmied abgerissen
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