Die Silberschmiedin (2. Teil)
und Minze aufgetragen wurden und herrlich mundeten. Es gab verschiedene Brotsorten dazu und ein Gemüse aus Rotkohl mit zerstoßenen Wacholder- und Preiselbeeren darin. Der Rotwein, der von einem Weinhändler aus dem Kaiserstuhl gebracht worden war, schimmerte wie Granat in den Gläsern.
Während des Essens drehte sich die Unterhaltung um Dinge von allgemeinem Interesse. Im Hurenhaus hatte es Streit gegeben; zwei Scholaren hatten sich um ein Mädchen geprügelt. Das Haus des Gerbers Zschernitz war geplündert worden, der Hofhund erschlagen. Der Fluss Elster war nahe an die Ufer gestiegen, für die nächsten Wochen wurde Hochwasser befürchtet, die Preise für Mehl waren in die Höhe geklettert, und die Schwiegertochter der Hummelshain sei gesegneten Leibes. Doch dann war das Essen abgetragen, und die Unterhaltung verstummte. Mattstedt erhob sich:
«Liebe Eva, ich bin heute zu Euch gekommen, um Euch zu fragen, ob Ihr meine Frau werden wollt.»
Er sprach noch weiter, doch Eva hörte seine Worte nicht mehr. Das, was sie gehofft und befürchtet hatte, war eingetroffen. Mattstedt, der attraktive, reiche, kluge, gewandte Mattstedt wollte sie heiraten. Oh, sie fühlte sich geschmeichelt. Der Mann, von dem die Leipzigerinnen träumten, hatte sie, Eva, um ihre Hand gebeten.
Es gab keinen Grund, ein solches Angebot auszuschlagen. Nicht einen einzigen. Mattstedt war der Mann, der selbst vor Sibyllas gestrengem Auge Wohlgefallen gefunden hatte.
Warum also jubelte nichts in ihr?
Eva wusste es nicht. Sie schämte sich sogar, dass sie so unbewegt blieb. Ihr Herz schlug nicht schneller als sonst. Sie sah hoch und lächelte Mattstedt zaghaft an.
«Ihr braucht vielleicht etwas Zeit zum Nachdenken», sagte er verständnisvoll.
Eva reagierte nicht. Nein, es gab wirklich keinen einzigen Grund, Mattstedt nicht zu heiraten. Er würde sie achten und in Ehren halten, wäre bemüht, ihr niemals wehzutun. Mit Sicherheit wäre er ein liebevoller Vater ihrer Kinder, und auch seine Angestellten brauchten nichts von ihm zu befürchten.
Dieser Mann war wie für sie geschaffen. Und er erinnerte sie überdies an Isaak Kopper. Hatte sie ihren Vater nicht geliebt? Doch, natürlich hatte sie das. Warum also sollte das, was sie für Mattstedt empfand, keine Liebe sein?
Eva schüttelte, ohne es zu bemerken, den Kopf und schalt sich töricht. Dann sah sie Mattstedt in die Augen: «Ich brauche keine Zeit zum Nachdenken. Ich würde sehr gern Euer Weib werden.»
Susanne klatschte in die Hände, als gelte es, einem Jahrmarktsgaukler Beifall zu zollen. Sie hörte gar nicht wieder auf, schlug die Hände ein um das andere Mal zusammen und verkündete: «Deine Mutter wäre stolz auf dich.»
Spät in der Nacht, Mattstedt war längst gegangen, saß Eva auf ihrem Bett und betrachtete den Ring, den Mattstedt ihr angesteckt hatte. Es war ein edles Stück aus Gold mit einem großen Karfunkelstein in der Mitte. Hatte Mattstedt geahnt, dass sie Granat liebte?
Sie sah sich im Spiegel und wunderte sich, dass sie immer noch dieselbe war wie gestern. Und doch war sie jetzt verlobt. Mattstedt hatte sie geküsst. Eva strich mit der Hand über ihre Lippen und lächelte. Sein Kuss war sanft gewesen, behutsam. Ihr Vater hatte sie auf ähnliche Weise geküsst, wenn auch nur auf die Wange.
Eva stand auf. Sie würde nicht schlafen können, das wusste sie. Ihr Verstand war hellwach und klar. Warum also sollte sie nicht arbeiten? Es gab genug zu tun. Meister Faber hatte Recht; sie brauchten noch einen Gesellen. Und ihr Pokal, den sie für die Hummelshainerin arbeiten sollte, war auch noch nicht fertig. Sie legte sich einen Umhang über die Schultern und ging die Treppen hinab über den Hof zur Werkstatt.
Dort entzündete sie mehrere Öllampen und erfreute sich am Glanz des Silbers im Kerzenlicht. Behutsam strich sie über den Rohling und genoss das kühle Metall unter ihren Fingerspitzen. Dann hob sie das unfertige Stück an ihr Gesicht und schmiegte ihre Wange daran. Der Geruch des Metalls drang ihr in die Nase. Er war eigentümlich und unverwechselbar, ließ sich nicht so leicht beschreiben. Manchmal schien es Eva, als lebte das Metall. Als habe es eine Seele, die entdeckt werden wollte. Andrea della Robbia hatte in Florenz immer wieder zu ihr gesagt: «Lass das Silber zu dir sprechen. Es trägt die fertige Form bereits in sich. Du musst sie nur erkennen.»
Das war Eva nie gelungen. Sie konnte das Silber riechen und schmecken, konnte es fühlen und sehen, doch
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