Die Silberschmiedin (2. Teil)
Gesellen und alles, was dir sonst noch gehört.»
«Was? Wie bitte? Was soll das? Wo willst du hin?», fragte Eva und presste ihre Hand auf die Brust. Alle Vorwürfe, die sie gerade noch im Sinn gehabt hatte, waren plötzlich verschwunden.
«Mir meinen Platz suchen. Gott hat mich nicht geschaffen, um deinen Haushalt zu führen.»
«Wo willst du hin?»
Susanne zuckte mit den Achseln. «Warum machst du so ein Geschrei? Ich war dir schon immer herzlich gleichgültig. Schwester nennst du mich, wenn du mich brauchst. Aber eine Schwester bist du mir nie gewesen. Sieh uns nur an: Deine Kleider sind aus dem feinsten Stoff. Dein Tagwerk verbringst du mit Gold und Silber, während ich für deine Behaglichkeit sorge. Ich gehe. Schon morgen früh packe ich meine Sachen.»
Eva fuhr zusammen. Schockiert starrte sie Susanne an.
«Freit jemand um dich?», fragte sie und konnte das Zittern ihrer Stimme kaum unterdrücken.
«Pffff», machte Susanne. «Was geht’s dich an?»
«Sag schon, ich bitte dich.»
«Ein Bäckergeselle macht mir den Hof. Altgeselle ist er und der Meister bald des Todes. Eine Meisterin gibt es nicht. Kann gut sein, dass der Altgeselle die Backstube bekommt. Herrscherin im eigenen Hause wäre ich. Nicht länger dein Anhängsel, deine Leibmagd.»
Eva erschrak. Sie hatte sich so oft über Susanne geärgert. So oft schon bereut, sie mit nach Leipzig genommen zu haben. Doch jetzt, da sie gehen wollte, überkam sie eine Angst, die sie nicht erklären konnte.
Die Gedanken jagten durch ihren Kopf.
«Geh nicht, Susanne», bat sie unwillkürlich, ohne zu wissen, was sie sagte.
Susanne setzte sich auf die Küchenbank. «So?», fragte sie höhnisch. «Habe ich recht gehört? Du bittest mich zu bleiben?»
Eva schluckte.
«Du kannst tun, was du möchtest», sagte sie leise. «Aber mir wäre es lieber, du bliebest.»
Stimmt es, was ich sage?, überlegte sie. Möchte ich wirklich, dass Susanne bleibt? Warum? Vielleicht weil Susanne das Einzige war, das sie noch mit Frankfurt, mit der alten Heimat, dem alten Leben verband? Vielleicht, weil sie sich fürchtete, die einzige Frau in diesem Haus zu sein? Vielleicht aber auch, weil sie noch immer hoffte, endlich eine Freundin, einen Herzensvertraute zu finden?
«Was gibst du mir, wenn ich bleibe?», fragte Susanne und stützte beide Ellenbogen auf den Tisch. «Eines sei dir gesagt. Gut geht es mir hier nicht. Es gibt wenig Anreiz für mich, hier zu bleiben.»
Eva wollte Susanne nicht ihr Gesicht sehen lassen und ging zum Fenster und sah auf den dunklen Hof. Nein, sie würde sich nicht von Susanne erpressen lassen.
«Dann geh, wenn du musst. Du weißt aber, dass dir keine Mitgift zusteht.»
Susanne fuhr hoch: «Darum geht es dir also?»
Eva wandte sich um: «Du willst gehen, Susanne. So ist es doch. Aber vergiss eines nicht: In Frankfurt wirst du Hexe geheißen.»
Susanne warf den Kopf in den Nacken, und Eva sah, dass ihr Hals von Liebesmalen übersät war. «Willst du mir drohen?», fragte sie.
Eva deutete mit dem Finger auf die Male: «Sieh dich doch an. Wie eine Hure läufst du durch die Stadt. Ein jeder kann sehen, wohin dich die Liebe gebissen hat.»
«Schämst du dich meiner?», Susanne lachte laut auf. «Ist es das, was dir Sorgen bereitet? Bist du am Ende gar eifersüchtig, weil Mattstedt noch immer nicht um deine Hand angehalten hat? Weil die Leipziger mich grüßen, in dir aber einen Eindringling sehen? Niemand hat in Leipzig auf dich gewartet, Eva. Niemand hier braucht deine Werkstatt.»
Eva machte eine wegwerfende Handbewegung. «Ich bin nicht eifersüchtig, Susanne. Du kannst so viele Männer haben, wie du nur magst. Allein dein Ruf könnte dem Haus und der Werkstatt Schaden bringen.»
«Na und?», Susanne blieb unbeeindruckt. «Gönnst du mir das bisschen Spaß nicht? Mein Ruf ist besser als der deiner Werkstatt.»
Susanne beugte den Oberkörper nach vorn, die Hände zu Fäusten geballt. Eva blieb ruhig. Auf einmal war ihr klar, dass sie die Stiefschwester nicht gehen lassen konnte. Plötzlich streckte sie die Hand aus und berührte Susanne am Arm. «Geh nicht!», wiederholte sie. «Ich mag dich nicht verlieren.»
Susanne lachte: «Mich verlieren? Du meinst eher, du kannst nicht gegen mich verlieren. Das ist es. Deine Mutter hat nie verlieren können, und du kannst es genauso wenig. Ginge ich, wäre ich die Siegerin. Das ist es, was du nicht verwinden kannst.»
Sie stemmte die Hände in die Seiten. «Was gibst du mir, wenn ich bleibe?»,
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