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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Ring der berittenen Soldaten zu durchbrechen. Mit Tränen schmerzlichen Bedauerns in den Augen, die allerdings auch wegen des scharfen Rauchs tränten, trat er in das brennende Haus seiner Rauch und Flammen aufging und die er und seine Familie nach dem Tod von Donna Nunzia zu von Gott gewollter Stunde hätten beziehen können. Endlich hätten sie mehr Platz und Bequemlichkeit gehabt als da, wo sie jetzt hausten.
      »Wo ist meine Mutter, Donna Nunzia?« fragte er aufgeregt den Kommissar.
      »Wir haben sie noch nicht zu Gesicht bekommen«, entgegnete ihm Puglisi.
    »Aber sie ist noch am Leben?«
      »Was weiß denn ich? Man müßte ins Haus hinein, aber wie du siehst, können wir uns nicht einmal nähern.«

    »Stehenbleiben! Stopp! Halt!« schrie plötzlich der Ingenieur seine Männer an, und Nardo drehte den Hahn zu. Hoffer hatte gemerkt, daß die Eimer viel zu langsam eintrafen: die Wassermenge, die aus dem Schlauch austrat, war bedeutend höher als die, die eingefüllt wurde. Der Druckmesser schnellte gefährlich in die Höhe. Es bestand Gefahr, daß der Heizkessel explodierte.
       »Schnell! Presto! Schneller machen! Wasser, Wasser! Mehr Wasser!« brüllte der Ingenieur zu der langen Menschenkette hin. Endlich wurden die Wasserkübel mit größerer Geschwindigkeit weitergereicht.
    In diesem Augenblick wurde das Fenster des von Donna Nunzia bewohnten Teils aufgerissen, und eine ältere
      Die Alte machte keinerlei Anzeichen, ihn gehört zu haben. Sie verschwand erneut im Innern des Hauses.
       »Schnell! Presto!« rief Hoffer mit sich überschlagender Stimme. »Die alte Frau retten!«
      Er konnte sehen, daß der Wasserstandsanzeiger jetzt einen guten Punkt erreicht hatte, auch wenn es vielleicht besser gewesen wäre, noch ein wenig zu warten. Doch es war keine Zeit zu verlieren. Die große Freude, mit seiner Erfindung ein Menschenleben retten zu können, ließ ihn in diesem Augenblick einen verhängnisvollen Irrtum begehen. Für eine kleine Weile vergaß Hoffer, daß er sich in Vigàta, in Sizilien, befand. Er hatte es einfach nicht mehr im Griff, ständig aus dem Deutschen ins Italienische zu übersetzen, wie er es normalerweise tat.
    »Schnell! Kaltes Wasser!« rief er auf deutsch.
      Nardo Sciascia, der sich anschickte, die Kaltwasserdüse aufzudrehen, hielt mit einem Ruck inne und sah ihn wie vor den Kopf geschlagen an.
       »Kaltes Wasser! Kalt! Kalt!« röhrte der Ingenieur, nicht bedenkend, daß er damit heißes Wasser anforderte.
    »Er will acqua calda! Calda! Der Druck!« schrie Sciascia zu Cecè Consolo, der an der hinteren Seite des Feuerlöschgeräts stand. Cecè drehte am Handgriff für die Druckverminderung und trat beiseite. Sogleich kam ein heftiger Strahl kochendheißen Wassers hinten aus dem Kessel heraus. Die Statuengruppe der Pizzutos, die noch immer hinter der Maschine stand, wurde mit einem Streich unterschiedlichen Grades wimmernd auf dem Boden wälzten. Puglisi eilte mit zwei seiner Männer zu ihnen.
      »Schnell!« rief Puglisi. »Laßt euch helfen. Bettet sie vorsichtig in eine Kutsche und fahrt sie zu Doktor Gammacurta.«
      »Der Arzt Gammacurta ist nirgendwo zu finden«, sagte jemand.
    »Dann schafft sie zu Doktor Addamo.«
      »Addamo hat die Praxis voll mit Damen, denen es wegen des Aufruhrs im Theater schwindlig wurde, und mit Leuten, die verletzt wurden, als Don Memè um sich geschossen hat.«
      »Geht mir bloß nicht auf den Sack mit euren Geschichten. Bringt diese Leute zu Addamo, der wird schon selbst sehen, daß es sich um Schwerverletzte handelt.«

    Unterdes hatte Donna Nunzia sich erneut am großen Fenster gezeigt. Sie hielt ein Stück Papier in der Hand und begann, es in ganz kleine Stücke zu reißen, die sie nach und nach weit von sich in den Wind warf. »Ich flehe euch an, ihr lieben Heiligen! Jesus, Joseph und Maria, haltet mir das Feuer fern!«
       »Aber was macht die alte Frau?« fragte Hoffer entgeistert.
    »Nichts. Das sind Bannbildchen der geheiligten Stätten,
    hören.
      »Der Pfarrer Virga hatte recht, das Theater ist ein Werk des Teufels! Er hatte gesagt, daß das Theater ein Sodom und Gomorrha ist! Ein heiliger Mann ist der Pfarrer Virga! Feuer sollte es geben, und Feuer ward!«
      Als Donna Nunzia ihre Heiligenbildchen aufgebraucht hatte, zog sie sich wieder ins Wohnungsinnere zurück. Turiddru konnte feststellen, daß die Maschine des Ingenieurs den Brand recht und schlecht eingedämmt hatte. Ohne eine Silbe zu verlieren,

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