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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Brüstung des oberen Rangs, zog sich mit den Armen hoch und war mit einer halben Kehre auch schon darin. Die seinen Balanceakt mit verfolgt hatten, empfingen ihn mit Beifall. Dort angelangt, zog er seinen Revolver, den er immer bei sich hatte, zielte auf das Türschloß und schoß. Auf den Schuß folgte ein allgemeiner Aufschrei, und die wellenartige Bewegung der Leute nahm zu. Die Tür ging auf. Erschrocken erblickte der Hauptmann Villaroel einen Athleten, der im Laufschritt eine Tür des Rangs nach der anderen aufriß. Wie bei einem Massenausbruch aus dem Gefängnis strömten die Leute mit lautem Geschrei heraus. Den Soldaten, die zur Verteidigung der zwei zentralen Treppenabsätze abgeordnet worden waren, blieb nichts anderes übrig, als sich an die Wand zu pressen und den Entflohenen den Weg freizumachen. Jetzt drängten sich alle Vigateser, die ins Theater gegangen waren, im großen Foyer zusammen. Ins Freie zu gelangen war allerdings unmöglich. Der Oberleutnant Sileci, der mit seinen Soldaten draußen stand, hatte Balken quer zwischen die Türgriffe der großen Vortür aus Holz und Glas gesteckt, so daß sie von innen nicht zu öffnen war. Und obendrein hielt eine Schar von Soldaten die Karabiner drohend Richtung Eingangshalle gerichtet. In dem Gedränge verloren drei oder vier Damen die Besinnung und mußten flach auf den Boden gelegt werden. Auf die gleiche Weise
    Man gehorchte. Die Frauen wurden an den Füßen über
    den Boden geschleift oder an Kopf und Füßen hochgehoben und in einer Ecke der Halle zusammengetragen.
      »Zum Sturm! Zum Sturm!« ertönte wieder die Stimme Laganàs.
      »Aber draußen steht die Reitermiliz«, gab ihm jemand zu bedenken.
      »Und die Soldaten haben die Waffen auf uns gerichtet«, mahnte ein anderer.
      Während Ratlosigkeit sich im ganzen Vorraum breitmachte, beschloß der Hauptmann Villaroel, der nicht ahnte, was im Untergeschoß vor sich ging, einen Vorstoß zu wagen.
    »Alle nach draußen!« schrie er den Logengästen zu.
      Der Präfekt, die Präfektin, Don Memè und der Bürgermeister, der sich ein blutgetränktes Taschentuch auf die Stirn preßte, kamen heraus und wiegten sich in trügerischer Sicherheit, da sie weit und breit keine Menschenseele sahen.
    Sie schickten sich an, die Freitreppe hinunterzugehen: der Hauptmann mit dem Säbel vornweg und Don Memè als Nachhut. Als sie auf der Treppe in Sichtweite des Foyers angelangt waren, fanden sie sich einer wogenden, aufgebrachten, stürmischen Menschenwand gegenüber, aus der sich Schreie und Klagelaute erhoben. Da brüllte Villaroel aus voller Kehle: »Platz da für Seine Exzellenz!« Waffe, die Sciaverio an sich gebracht hatte.
    »Wirf den Säbel weg, du Idiot!«
      Villaroel gehorchte, und flugs griff Laganà nach der Waffe.
      »Zum Sturm! Zum Sturm!« rief dieser mit gezückter Waffe und reichte einem Herrn in der Nähe seinen Stockdegen weiter.
      Ob dieses Tohuwabohus drängte Don Memè vorsorglich den Präfekten und seine Gattin in eine Ecke und stellte sich schützend vor sie.
      Um nicht tatenlos dazustehen, gab Sciaverio in der Zwischenzeit einen Schuß aus seinem Karabiner ab. Die gläserne Vortür ging zu Bruch, und erneut erhob sich Geschrei aus der Menge.
    Don Tanino Licalzi, auch »Flinkhand« genannt, der dem
    Laster frönte, sämtlichen Damen in seiner Reichweite mit unvorstellbarer Geschicklichkeit an den Arsch zu fassen, hatte im Schutz der Dunkelheit inmitten der dichten Menge eine solche Anzahl von Hinterteilen getätschelt, daß ihm jetzt die rechte Hand schmerzte. Doch er hatte sich in den Kopf gesetzt, daß in seiner Sammlung noch der Allerwerteste der Gemahlin des Präfekten fehlte. Gesagt, getan, bahnte er sich einen Weg durch den Tumult und kam genau neben der Präfektin zu stehen. Mit geschlossenen Augen den Vorgeschmack auskostend, streckte er die Hand aus, befühlte eine mit Seide bedeckte und Ehrgefühl gebohrt. Außer sich vor Zorn ob dieser frevelhaften Geste zückte er den Revolver und gab drei Schüsse in die Luft ab.
    »Platz da! Platz!« schrie er mit erstickter Stimme.
      Bei den Schüssen waren die Leute in der Nähe ein Stück weit zurückgewichen, und ein kleiner Freiraum tat sich jetzt um Don Memè, den Präfekten und Gattin auf, die immer noch schimpfte: »Jemand hat mir an den Hintern gefaßt!«
    Als der Vorsitzende Cozzo die drei Revolverschüsse vernahm, beschloß er, zur Tat überzugehen. Dieses Mal würde er nach jahrelangem Üben seinen Revolver

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