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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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tatsächlich zücken. Den Zeigefinger auf dem Abzug, überlegte er kurz, und ein Geschmack von Zitrone lag ihm auf der Zunge. Dann schoß er. Die Kugel, nach Jahrzehnten der Gefangenschaft endlich in Freiheit, tobte sich trunken vor Glück auf einer Schußlinie aus, die jeden Fachmann für Ballistik verrückt gemacht hätte. Sie traf die Decke der Eingangshalle, bog in Richtung Wand ab und schlug auf der Seite des bronzenen Basreliefs ein, welches das Gesicht von Maestro Agenore Zummo (1800-1870), dem illustren Leiter des Musikvereins von Vigàta, darstellte. Die Kugel trat aus dem rechten Auge von Maestro Zummo aus und flog in Richtung des riesigen Leuchters, streifte eine kupferne Zinne und drang in einer Parabelbahn ein Stück weit unter die Nackenhaut des Bürgermeisters, dem es nicht gelang, das Blut auf der Moment stürzte der Oberleutnant Sileci zu Pferd in den Freiraum um Don Memè und seine zwei Schützlinge. Er hatte sich von seinen Soldaten die Gegentür aufmachen lassen, die jedoch weiterhin Wache hielten, um die Leute am Herausgehen zu hindern. Es war ein Sprung, der in die Annalen der Reitkunst eingehen würde. Der Oberleutnant hatte ihn nicht etwa in einer Reitschule gelernt, sondern dank seiner freundschaftlichen Beziehungen zu einem flüchtigen Banditen, den er hin und wieder in seiner Freizeit zum Vergnügen, aus Zuneigung und geschäftlicher Beziehungen wegen in der Macchia aufsuchte. Sileci beugte sich vom Pferd herab, zog die Frau Präfektin an einem Arm hoch und setzte sie vor sich in den Sattel. Dann packte er den Präfekten, hob ihn in die Höhe und setzte ihn hinter sich. Er gab dem Pferd die Sporen, damit es wieder einen Sprung in die umgekehrte Richtung tat. Aber das Tier schaffte es nicht unter der schweren Last.
    Genau in diesem Augenblick gab der Vorsitzende Cozzo, der buchstäblich in Ekstase geraten war, weil er endlich seinen Revolver hatte benutzen können, einen zweiten Schuß ab und zielte hinter die Ohren des Pferds. Das sprang erschrocken über die Menge hinweg und landete vor dem Theater. Sileci brachte mit Unterstützung der Soldaten die Präfektin und den Präfekten zu ihrer Kutsche und ließ sie von vieren seiner Männer eskortiert nach Montelusa fahren.
    an die Pfähle banden, drei Lampions umgeworfen. Ohne Grund noch Befehl gingen da die Soldaten auf der Piazza zum Angriff über, und die Leute flüchteten durch die Straßen. An dieser Stelle trugen sich noch andere Dinge zu. Wie die Geschichte mit Sciaverio, der von einem Soldaten verfolgt wurde, auf ihn schoß und ihn an der Hand traf, oder die des Soldaten Francesco Miccichè, der einem auf den Fersen war und in einer schmalen Gasse einen Topf voll Scheiße und Pisse über den Kopf geleert bekam. Der Kommissar hatte sich aus der ganzen Schlacht herausgehalten.
    Als das Chaos ausbrach, war er niedergeschlagen auf seinen Sitz im Parkett gesunken und hatte den Kopf in den Händen vergraben.

    Es war eine Lust, Feuer zu legen, da gab es keinen Zweifel. Doch beim Zusehen, wie es wuchs, immer höher stieg, sich Platz schaffte, singend alles verschlang, was auf seinem Weg lag, verwandelte sich die Freude nach und nach in Lust, und man hatte plötzlich einen Steifen wie beim Vögeln.
      »Ich muß es noch einmal probieren«, sagte sich Traquandi und entblößte seinen Unterleib, wie er es meistens handhabte, wenn er Schlaf finden wollte.
      Auf der Liege neben ihm schlummerte Decu schon seit einer Stunde selig. Sein Atem ging tief und regelmäßig, als erzähle er sich selbst eine Gutenachtgeschichte.

    In der Nacht darauf wurden sie von einem anhaltenden Klopfen an der Tür geweckt. Es klang nicht so heftig wie ein Befehl, eher wie eine höfliche Bitte um Einlaß. Aber es genügte, die beiden aus dem Schlaf zu reißen und ihnen das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.
      »Rühr dich nicht und mach bloß nicht auf«, befahl Traquandi, als er mitbekam, daß Decu eine Kerze anzünden wollte. Er griff nach dem Jagdgewehr, das der Freund ihm gegeben und das er ans Kopfende des Bettes gestellt hatte.
    Decu erhob sich langsam, ohne irgendein Geräusch zu machen, und der Römer tat das gleiche. Sie stellten sich an die Seiten der Tür, während das Klopfen höflich, aber Vaters.«
    »Und was will der um diese Stunde?«
    »Was weiß denn ich. Ich frage ihn am besten.«
      Das war nicht mehr nötig, weil der Mann vor der Tür weitersprach: »Mach auf, Decu, ich muß mit dir sprechen, mit dir und dem römischen picciotto, der

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