Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
Vom Netzwerk:
componenda.

    Auch der vorliegende Roman verdankt sein Entstehen dieser Quelle. In der Sitzung der parlamentarischen Untersuchungskommission am 24. Dezember 1875 wurde der Journalist Giovanni Mulè Bertolo angehört: man wollte in Erfahrung bringen, welches die Haltung der Bevölkerung von Caltanissetta und Umgebung gegenüber der Regierungspolitik sei. Der Journalist erklärt an einer Stelle, daß sich die Lage ab dem Tag deutlich gebessert hätte, als der Präfekt vor Ort, der Florentiner Fortuzzi, der sich bei der Bevölkerung äußerst unbeliebt gemacht hatte, versetzt worden sei. (»Fortuzzi wollte Sizilien anhand von Illustrationen in Büchern studieren. Wenn ein Buch keine Abbildungen hatte, war es wertlos … Er hockte immer zwischen seinen vier Wänden, umgeben von drei oder vier Individuen, von denen er sich beraten ließ.«)
    Fortuzzi brachte das Faß zum Überlaufen, als er für die Einweihung des neuen Theaters von Caltanissetta die Aufführung des Bierbrauers versteift hatte. Während der Vorstellung kam es erwartungsgemäß zu zahlreichen Unfällen; ein Postbeamter, der sein Mißfallen lauthals zum Ausdruck gebracht hatte, wurde anderntags versetzt (»er mußte seine Stellung aufgeben, da sein Jahresgehalt die 700 Lire nicht überstieg und er sich nicht von Caltanissetta entfernen konnte«); die Sänger wurden ausgepfiffen. In einem bestimmten Moment mußte etwas Ernsthafteres geschehen sein, immer noch laut den Worten des Journalisten, »denn es drangen berittene Soldaten und bewaffnete Truppen ins Theater ein«. An dieser Stelle der Anhörung ziehen die Mitglieder der parlamentarischen Kommission es jedoch vor, zu einem anderen Thema überzuwechseln.
      Die Geschichte, wenn auch nur in knappen Worten in dem Bericht skizziert, packte mich, und ich begann, an ihr zu arbeiten. Heraus kam dieser Roman, der abgesehen von dem Grundmotiv natürlich erfunden ist.
      Mein Dank geht an Dirk Karsten van den Berg, der für mich das Libretto und die Partitur des Bi erbrauers auftreiben konnte.
    Ich widme diese Geschichte Alessandra, Arianna und
    Francesco, die sie lesen werden, wenn sie groß sind, und hoffentlich darin die Stimme ihres Großvaters wiederhören werden.

    P. S. Zu dieser späten Stunde, ich meine, jetzt, wo wir
    Andrea Camilleri, nicht nur »Regisseur« dieser Oper, hatte, bevor er mit dem Schreiben anfing, jahrelange Erfahrung als Theaterregisseur gesammelt. Dieser Reichtum hat seiner erzählerischen Sprache den unverkennbaren Stempel seiner Herkunft, nämlich aus bester sizilianischer Tradition, aufgedrückt – was bedeutet, das Leben als eine endlose Tragikomödie zu begreifen. Ganz neu aber ist Camilleris Sprache. Seit seinem ersten Roman ( Il corso delle cose, in den siebziger Jahren zu Papier gebracht) drängte und drückte es ihn, eine Sprache zu finden, die ganz ihm gehöre und das vollkommene sowie originelle Gewand für seine sizilianischen Geschichten wäre: Ich hatte es satt, mich immer in fremder Leute Sprache auszudrücken.
    Ein vielleicht nicht ganz unwichtiges Detail: schon
    seinerzeit lebte Camilleri »im Exil«, in Rom, wo die höchste der politischen Künste, das Reden, die Rhetorik, besonders gepflegt ist. Der Schritt zur Rückbesinnung auf das eigene Hineingewachsensein in die Wörter war winzig und geriet zu einem lebhaften Dialog mit der Sprache seiner Heimatinsel. Heraus kam die »handgestrickte« Sprache, wie sie zum Privatgebrauch in den vier Wänden seines Vaterhauses gesprochen wurde – ein geniales Geflecht aus italienischer Alltagssprache und sizilianischem Dialekt agrigentinischer Färbung.
    Ein weiteres, vielleicht unwichtiges Detail: die Übersetzerin des vorliegenden Romans lebt ebenfalls und (Herausgekommen wäre eine künstliche, fiktive Sprachebene, von der aus ich ein nicht authentisches Hochdeutsch angepeilt hätte.) Ich habe mich statt dessen selbst auf jene »Opernbühne« gestellt und einfach mitgespielt. Die Spielregeln der »commedia all'italiana« hatte ich mir im Laufe der Jahre angeeignet; mein Staunen über die pazzia degli italiani, m ein leicht mitleidiges Lächeln über ihre mentalitätsbedingten Schranken und mein wütendes Fasziniertsein dieser unbegreiflichen Realität sind in mir lebendig wie eh und je.
    Die Sizilianische Oper baut effektvoll auf dem
    Spannungsverhältnis zwischen raffiniertem Sikulisch und anderen gestandenen Regionalsprachen auf. In Florenz, der Wiege der Kultur gleichwie Heimatstadt Seiner Exzellenz des Präfekten

Weitere Kostenlose Bücher