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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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wußte sie nicht, was mit ihrer Zeit anfangen, also tat sie belanglose Dinge wie einen Knopf an einer Bluse annähen oder den Docht eines Leuchters richten. Doch alles, was sie in die Hand nahm, mißlang ihr. In Gedanken war sie nicht bei der Sache.
      Noch bei Tageslicht ging sie zu Bett, fand aber keinen Schlaf. Mit einemmal bildete sich völlig unerwartet an einer bestimmten Stelle ihres Körpers ein Strudel. Als erstes kräuselten sich die Wellen unter dem warmen Wind, wärmer als der Schirokko, dann wurden die Windstöße immer stärker und kreisten an ein und derselben Stelle wie eine Bohrwinde. Und die Spitze des Bohrers saß fest auf dieser Stelle und kreiste und kreiste, während der obere Teil des Strudels immer mehr um sich griff und Concetta, die mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Bett lag, am ganzen Leib erfaßte und beutelte.
    Einmal hatte ihr verstorbener Gatte erzählt, daß man
      Ihre Hand wurde zum Einmannboot und stach in See, ging Richtung Süden auf Fahrt, näherte sich dem Loch inmitten des Bauchs und fuhr wieder und wieder daran entlang, und einer genauen Route folgend gelangte sie in die Mitte des Golfs ihrer gespreizten Beine und warf den Anker exakt an der Stelle aus, an der sich der Strudel bildete. Auf der Schaluppe, die heftig auf dem Meer schaukelte, zog sie eines der Ruder hoch – den Zeigefinger – und lenkte ihn, bis er die kleine Stelle berührte, die den ganzen Wirbel verursachte. Nachdem sie diesen Punkt gut erkundet hatte, begann sie, mit dem Ruder immer stärker dagegen zu klopfen. Wie schon gesagt, kannte sie die geheimen Worte nicht, doch kamen ihr andere über die Lippen, die vielleicht noch passender waren: »Oh, Gaspàno, oh, Gaspàno, oh, mein Gaspàno …«
      Mit einemmal beruhigte sich der Strudel, fiel in den Golf zurück und ward zu dichtem, klebrigem Schaum.

    Jetzt war er weder Boot noch Meer, sondern einfach ein erschlaffter Mann, und sein Atem ging schwer. Concetta leckte ihm die glatte Brust, die unbehaart war wie bei einem unreifen Knaben. Die Haut schmeckte nach Salz wie seinerzeit die des lieben Verstorbenen. Er schloß die Augen und drückte sie fester an sich.
    »Weißt du überhaupt, wie ich heiße?« fragte Concetta ihn. Auch ihr waren die Lider schwer geworden und hingen über ihren Augen wie das Weinlaub über den»So ruft denn Emanuele!« befahl Seine Exzellenz, der Präfekt von Montelusa, Cavaliere Doktor Eugenio Bortuzzi, und gab dem Bürodiener eine dicke Mappe mit unterzeichneten Schriftstücken zurück.
    »Er wartet schon seit einer halben Stunde hier draußen.«
    Seine Exzellenz geriet in Rage.
      »Mein Gott, Orlando, du bist immer der gleiche Schwachkopf. Das hättest du mir doch gleich sagen können! Geh.«
    Was jetzt kam, sah aus wie ein Zaubertrick. Der
    Bürodiener Orlando war noch nicht zur Tür hinaus, als Emanuele Ferraguto auch schon wie durch ihn hindurch eingetreten war, als wäre dieser unsichtbar. In der näheren und ferneren Umgebung war er als »Don Memè« oder einfacher als Gevatter Memè bekannt, vor allem bei denen, die mit ihm nicht die geringste Verwandtschaftsbeziehung hatten.
      Don Memè war um die Fünfzig, groß und schlank und recht gut gekleidet. Er deutete eine Verbeugung an und wartete mit seinem breiten, freundlichen Lächeln, daß der Präfekt ihm ein Zeichen machte, näher zu treten.

    Man erzählt sich, daß Don Memè sein Lächeln auch dann nicht verloren habe, als fünf Jahre zuvor der Kommissar das Leichentuch gehoben und ihm den geschundenen nackten Leichnam seines Sohns Gnazino, der noch keine ausgerissen worden waren. Don Memè notierte sich alles sorgfältig genau in dieser Reihenfolge, wobei er den Kopierstift von Zeit zu Zeit mit der Zungenspitze befeuchtete. Das Ritual der Hinrichtung besagte unmißverständlich, daß der Mörder den Jungen als Wortbrüchigen und Hurenbock abstempelte, der alle Weiber, die ihm in die Quere kamen, bestieg, ganz gleich, ob ledig oder verheiratet. In den folgenden zwei Monaten hatte sich Don Memè aufwendigen Transaktionen gewidmet. Am Ende dieser Geschäfte hatte er die Rechte an seinem Feudalbesitz Cantarella anderen Personen übereignet und durfte dafür die zwei Mörder seines Sohns auf einem seiner Landgüter empfangen, und zwar so zugerichtet, daß sie keinen Finger mehr rühren konnten.
    Man erzählte sich weiterhin, daß Don Memè, nachdem er sich eine Schürze vorgebunden hatte, um seinen Anzug nicht mit Blut zu beschmutzen, sich

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