Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
sich seitdem geändert hat.
»Komm mit mir nach London«, erwidere ich und dann berühren meine Lippen die ihren, und wir schweigen lange Zeit.
EPILOG
Eine Woche später gehen wir an Bord eines von Daniel al-Ribatis Handelsschiffen und segeln unerkannt mit unseren wenigen Habseligkeiten davon. In unserem Gepäck befinden sich Mr. Draycotts Briefe an die Royal Society und eine Anzahl von Fläschchen mit seinem geheimnisvollen Elixier. Ben Hadou, der sich wohl bewusst ist, dass ich ihm das Leben gerettet habe, gibt mir eine ordentliche Geldsumme mit, und ich verpflichte mich im Gegenzug, dafür zu sorgen, dass das Schiff auf der Rückreise seine neue Frau Kate an Bord hat, und auch eine Reihe von Bestellungen für sein neues Heim in Fès. Die Liste ist so lang wie mein Arm.
Man kann sich kaum vorstellen, was für ein Leben uns in London erwartet. England ist nicht wie Marokko, wo schwarze Männer auf Befehl des Sultans weiße Frauen heiraten und niemand sich etwas dabei denkt. Vielleicht müssen wir heimlich heiraten und nach außen wie Herrin und Diener leben, wie die Herzogin Mazarin und Addo, König der Straße, in der angenommenen Rolle des Sklaven Mustafa. Aber wir werden Momo haben, und Momo ist der Schlüssel zu allem. Das ist gut so, denn wir werden kaum jemals eigene Kinder zeugen. Wir sind eine ungewöhnliche Familie, doch die Zustimmung der Welt ist weder Alys noch mir wichtig. Wir haben Schlimmeres überlebt als grausame Worte und böse Blicke. Was immer die Zukunft bringen mag, es wird gewiss besser sein als das, was wir in der Vergangenheit erdulden mussten.
Zudem hat mir der König, ehe ich London verließ, zweierlei versprochen. Dass er sich um Alys kümmern wird, sollte der Sultan sie aus seinem Harem entlassen, und dass ich in Whitehall die Stellung eines Hofmusikers bekäme, wenn ich sie bei meiner Rückkehr noch wollte. So hoffe ich, dass wir mit etwas Glück und unserer Entschlossenheit allen Widrigkeiten zum Trotz überleben werden.
Ist es zu viel verlangt, dass Männer und Frauen frei über ihr Leben entscheiden dürfen?
Die Hoffnung bleibt – immerhin hat es auch schon andere Wunder gegeben.
HISTORISCHE ANMERKUNGEN
Moulay Ismail war von 1672 bis 1727 Sultan von Marokko. Eine bemerkenswert lange Zeit herrschte er über seinen »Korb voller Ratten«. Einer der Gründe für seinen Erfolg liegt in dem Namen, unter dem er bekannt wurde, »Safaq Adimaa«, »der Blutrünstige«. Ein anderer in seiner Angewohnheit, Autorität mit Imponiergehabe zu verbrämen, indem er das Volk mit Pomp und Gepränge in Ehrfurcht versetzte. In dieser Hinsicht wie in seiner Machtfülle war er der letzte Sultan, der sich mit seinen europäischen Gegenspielern messen konnte.
In seinen fünfundfünfzig Jahren als absoluter Herrscher unterwarf er die wilden Stämme des Rif- und des Atlas-Gebirges, eroberte die Küstenstädte Tanger, Mamora, Asilah und Larache von den fremden Mächten zurück, behauptete Marokkos Souveränität gegenüber den Osmanen, baute Moscheen, Schreine, Brücken, Kasbahs und natürlich den außerordentlich komplexen Palast in Meknès, dessen Ruinen von der UNESCO zum Welterbe erklärt wurden.
1703 fragte ein Gesandter einen von Ismails Söhnen, wie viele Geschwister er habe. Nach drei Tagen erhielt er eine Liste mit den Namen von fünfhundertfünfundzwanzig Jungen und dreihundertzweiundvierzig Mädchen. 1721 soll er »siebenhundert Söhne, die reiten können«, gehabt haben – der letzte seiner Söhne kam angeblich achtzehn Monate nach seinem Tod zur Welt, in der Tat ein Kunststück. Den Überblick über seine Frauen und seinen Harem zu behalten ist noch schwerer, weil selbst in den offiziellen Akten die meisten seiner Frauen nur mit dem einzigen arabischen Namen verzeichnet sind, den sie erhielten, nachdem sie freiwillig oder unter Zwang zum Islam konvertiert waren. Unter ihnen allen gibt es eine Konstante: Lalla Zidana, die Ismails Bruder für eine Summe von sechzig Dukaten als Sklavin erstanden hatte. Nach allem, was man weiß, war sie in ihrer zweiten Lebenshälfte eine enorm massige und monströse Person, die sich seltsam kleidete und als »Hexe Zidana« gefürchtet wurde. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – beherrschte sie dreißig Jahre lang Ismails Gefühle und übte absolute Macht über seinen Harem aus. Ihr ältester Sohn, Zidan, wurde zu Ismails Erben ernannt, obgleich er nicht sein Erstgeborener war. Gleichwohl erkannte ihm sein Vater im Jahre 1700 diesen Titel
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