Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
verlierst, Nus-Nus. So nimm es denn mit, aber hüte es wie deinen Augapfel. Ich komme am Sabbatmorgen wegen der Bezahlung.« Mit einem Seufzer macht er sich daran, das Buch vorsichtig wieder in das Leinentuch einzuschlagen, und überreicht es mir. »Vergiss nicht: Es ist unersetzlich.«
Ich müsste lügen, wenn ich behauptete, dass es mich nicht nervös macht, einen solchen Schatz mit mir herumzutragen, aber ich muss nur noch zwei Aufgaben erledigen: ein paar Gewürze für meinen Freund Malik kaufen und noch einmal kurz bei dem Kräuterhändler vorbei, um Zidanas Bestellung abzuholen.
Malik und ich haben die Angewohnheit, uns gegenseitig Gefallen zu tun. Nicht nur aus Not, sondern auch aus Zuneigung sind wir Freunde geworden; er ist Ismails oberster Koch und ich bin – abgesehen von vielen anderen Aufgaben – sein Vorkoster. Gegenseitiges Vertrauen ist unter solchen Umständen nützlich. Maliks Bedürfnisse – ras al-hanout , das nach seinem eigenen Rezept gemischt wird, und eine Attar-Essenz, die Ismail für sein Couscous besonders schätzt – führen mich zurück in das Gewürzviertel, wo ich die entsprechenden Einkäufe tätige. Von dort ist es nur ein Katzensprung zurück zu Sidi Kabours verstecktem Stand.
Ich beuge mich unter der Markise hindurch und bin erstaunt, den Laden leer vorzufinden. Vielleicht ist er kurz weggegangen, um Tee mit einem der benachbarten Standbesitzer zu trinken oder neue Holzkohle für seine Kohlenpfanne zu besorgen. Ich rücke das Moschusglas zur Seite und sehe mit Befriedigung, dass Zidanas Liste verschwunden ist. Vielleicht ist er auch unterwegs, um eine der Substanzen von einem diskreteren Ort zu holen …
Die Zeit vergeht, und immer noch ist nichts von Sidi Kabour zu sehen. Das schwere Aroma des brennenden Räucherwerks in dem Messingbrenner wird immer drückender. Es ist nicht der übliche angenehme Duft, den Sidi Kabour sonst bevorzugt – ein wenig Elemiharz vermischt mit weißem Benzoin –, sondern eine komplexere Mischung, in der ich Aloeholz und die unvereinbaren Aromen von Amber und Kiefernharz erkenne, das eine süß, das andere bitter. Niemand, der etwas davon versteht, würde sie zusammenbringen.
Nun mach schon , murmele ich leise und merke, wie sich mein Magen vor Angst verkrampft. Soll ich warten oder gehen? Meine Nervosität wächst. Bald wird der Sultan mit seiner nachmittäglichen Runde beginnen und erwarten, dass ich ihn wie immer begleite. Doch wenn ich ohne Zidanas Bestellungen zurückkomme, wird sie toben oder, noch schlimmer, in einem düsteren Schweigen versinken, das normalerweise einem Akt grausamer Vergeltung vorangeht. Diese beiden Möglichkeiten bergen die allgegenwärtige Gefahr meines Lebens: Manchmal lässt sich kaum sagen, was gefährlicher ist – der Sultan mit seinen maßlosen Tobsuchtsanfällen und unerwarteten Gewaltausbrüchen oder seine Lieblingsfrau mit ihrer ausgeklügelten Grausamkeit. Ich bin nicht sicher, ob ich an die Wirksamkeit ihrer Magie glaube, denn obgleich wir in ähnlichen Traditionen aufgewachsen sind – ich bei den Senufo, sie bei den benachbarten Lobi –, bilde ich mir ein, mir auf meinen Reisen ein gewisses Maß an Vernunft angeeignet zu haben. An ihrer Fähigkeit, alle Arten von subtilen Giften wirkungsvoll einzusetzen, zweifle ich jedoch keine Sekunde. Es ist nicht gerade ein Vergnügen, verschiedene Arten von Gift für die Herrscherin zu transportieren und sie in ihren lebensbedrohlichen Machenschaften zu unterstützen, aber als Palastsklave bleibt mir keine andere Wahl. Der Hof von Meknès ist ein Spinnennetz aus List und Tücke, Verwirrung und Intrigen. Sich an einem solchen Ort an einen geraden Weg zu halten, ist so gut wie unmöglich: Selbst der aufrechteste Mann muss hier verhängnisvolle Kompromisse eingehen.
Beunruhigt trete ich in den hinteren Teil des Ladens. Schachteln mit Stacheln von Stachelschweinen oder Mäusewimpern – säuberlich nach männlichen und weiblichen Exemplaren getrennt –, Antimon, Arsen und Goldstaub, getrocknete Chamäleons, Igel, Schlangen und Salamander. Zauber gegen den bösen Blick, Liebestränke, Leckerbissen, um djenoun anzulocken, so sicher wie Honig die Bienen. Als ich mich an der schmutzigen Wand entlangtaste, fällt mein Blick plötzlich auf ein riesiges Glasgefäß voller Augäpfel. Ich fahre heftig zurück, wobei ich mit der Hüfte gegen das Regal stoße. Das Glas schwankt gefährlich hin und her und versetzt den Inhalt in Bewegung, bis es aussieht, als starrten sie alle
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