Die Smaragdreihe 1 - Der Zauberer der Smaragdenstadt
nicht nötig, sich von oben begießen zu lassen. Sobald ich in die Smaragdenstadt zurückkehre, werde ich den Regen gesetzlich verbieten!“
Das Gewitter hielt bis zum Morgen an. Bei Sonnenaufgang sahen die Wanderer mit Entsetzen, wie die schäumenden Wellen sich über die Insel wälzten.
„Wir ertrinken!" schrie der Scheuch und bedeckte mit der Hand seine verwaschenen Augen.
„Haltet euch fest!" rief der Eiserne Holzfäller laut, um Sturm und Wellen zu übertönen, „haltet euch an mir!"
Er stemmte die Beine in den sandigen Boden und stützte sich auf die Axt. In dieser Stellung war er unerschütterlich wie ein Felsen. Der Scheuch, Elli und der Löwe klammerten sich mit aller Kraft an ihn.
Die erste Welle brauste tosend über sie hinweg. Als sie vorüber war, stand der Holzfäller mitten im Wasser. Die Gefährten hielten sich an ihm mit dem Mut der Verzweiflung. Der eiserne Mann rostete sofort ein, und jetzt konnte kein Sturm ihn von der Stelle bewegen. Sehr schwer hatten es die anderen. Der leichte Scheuch lag oben auf den Wellen, die ihn wie einen Ball hin und her warfen. Der Löwe stand auf den Hinterbeinen und spuckte Wasser. Elli zappelte, von Entsetzen gepackt, in der Flut.
Der Löwe sah, daß sie nahe am Ertrinken war.
„Setz dich auf meinen Rücken, ich trag dich ans andere Ufer", stieß er keuchend hervor und ließ sich auf alle viere nieder.
Mit den letzten Kräften hob sich das Mädchen auf den Rücken des Löwen und ergriff mit der Rechten seine nasse zottige Mähne, während es mit der Linken Totoschka an sich drückte.
„Lebt wohl, Freunde!" rief der Löwe und stieß sich vom Eisernen Holzfäller ab. Mit seinen mächtigen Tatzen bahnte er sich einen Weg durch die Wellen.
„. . . bewohl! . . ." hörten sie noch schwach die Stimme des Scheuchs, während der Eiserne Holzfäller im Dunst verschwand.
Der Löwe schwamm lange und mühsam. Erfühlte, wie ihn die Kräfte verließen, aber der Mut wallte in seinem Herzen, und stolz brüllte er in den tobenden Sturm hinein. Dieses triumphierende Gebrüll sollte zeigen, daß er, selbst wenn er sterben müßte, kein Quentchen Feigheit in seinem tapferen Herzen dulde.
Da schlug ihnen plötzlich aus dem feuchten Dunst das Gebrüll eines Löwen entgegen. „Land!"
Mit doppelter und dreifacher Kraft schwamm nun der Löwe und gewahrte bald die dunklen Umrisse eines steilen Ufers. Was er eben gehört hatte, war nicht die Stimme eines anderen Löwen, sondern das Echo gewesen.
Der Löwe stieg aus dem Wasser, setzte Elli, die klamm geworden war, auf die Erde, umschlang sie mit seinen Vordertatzen und hauchte ihr seinen heißen Atem ins Gesicht. Der Scheuch hielt sich am Eisernen Holzfäller fest, solange die durchweichten Arme ihm gehorchten. Dann rissen die Wellen ihn weg und warfen ihn wie einen Kienspan hin und her. Der kluge Kopf des Scheuchs mit dem kostbaren Gehirn war schwerer als der Rumpf, und nun trieb der Weise Herrscher der Smaragdenstadt, den Kopf nach unten, auf dem Wasser, das ihm die letzten Farbreste von Augen, Mund und Ohren wegwusch. Der Eiserne Holzfäller war noch eine Weile zwischen den Wellen zu sehen, doch bald hatte auch ihn die Flut bedeckt. Nur der Trichter ragte noch eine Zeitlang aus dem Wasser und verschwand dann gleichfalls. So ging der unerschrockene, herzensgute eiserne Mann völlig im wogenden Strom unter.
* * *
Drei Tage und drei Nächte warteten Elli, der Löwe und Totoschka am Ufer, daß das Hochwasser zurückgehe. Es war ein herrliches Wetter, die Sonne strahlte, und das Wasser nahm schnell ab. Am vierten Tag schwamm der Löwe mit Elli auf dem Rücken, die Totoschka im Arm hielt, zur Insel hinüber.
Der Fluß hatte eine Menge Schlamm auf der Insel abgesetzt. Der Löwe und das Mädchen gingen aufs Geratewohl nach verschiedenen Seiten und gewahrten bald eine unförmige Gestalt, die mit Schlamm bedeckt und in Algen eingehüllt war. Elli erkannte den Eisernen Holzfäller und rief den Löwen, der mit ein Paar Sätzen herbeigesprungen kam und die Gestalt von der dicken Schmutzkruste befreite.
Unverwüstlich stand der Eiserne Holzfäller in der gleichen Haltung da, in der sie ihn verlassen hatten. Mit einem Büschel Gras reinigte Elli sorgfältig seine eingerosteten Glieder, dann löste sie die Ölkanne von seinem Gürtel und schmierte ihm die Kiefern ein... „Hab Dank, liebe Elli", waren die ersten Worte des eisernen Mannes. „Du hast mir wieder das Leben geschenkt! Guten Tag, Löwe, alter Kamerad! Wie froh bin ich,
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